Gottesdienste aktuell

Gottesdienste in Roding, Trasching (T), Obertrübenbach (O), Wetterfeld (W), Heilbrünnl (HB) und Caritas-Altenheim (CA)

Fr. 02.06.        Gedenktag Hl. Marcellinus und Hl. Petrus

8.00 Uhr            T   Hl. Messe, anschl. Krankenkomm.

19.00 Uhr          Hl. Messe

 

Sa./So. 03./04.06.     Dreifaltigkeitssonntag

17.00 Uhr          bis 17.30 Uhr Beichtgelegenheit

17.30 Uhr          Wir beten den Rosenkranz

18.00 Uhr          Vorabendmesse

19.00 Uhr          O   Vorabendmesse  

 

8.00 Uhr            Pfarrgottesdienst

9.00 Uhr            T   Hl. Messe

10.00 Uhr          Hl. Messe

10.00 Uhr          Heidekapelle Festgottesdienst 150 Jahre FFFW Mitterdorf

18.00 Uhr          W   Hl. Messe

Mo. 05.06.       Fest Hl. Bonifatius

18.30 Uhr          Rosenkranz

19.00 Uhr          Hl. Messe

 

Di. 06.06.        Gedenktag Hl. Norbert von Xanten

10.00 Uhr          CA   Hl. Messe
19.00 Uhr          O   Hl. Messe

 

Mi. 07.06.        der 9. Woche im Jahreskreis

18.30 Uhr          T   Rosenkranz

19.00 Uhr          T   Hl. Messe

 

Do. 08.06.       Fronleichnam

  8.30 Uhr         Festgottesdienst, anschl. Prozession

Fr. 09.06.        Gedenktag Hl. Ephräm der Syrer

8.00 Uhr           Hl. Messe

 

Sa. 10.06.        Gedenktag Sel. Eustachius Kugler

11.00 Uhr          HB   Trauung Baumer - Schlaghaufer

 

Sa./So. 10./11.06.     10. Sonntag im Jahreskreis

17.00 Uhr          bis 17.30 Uhr Beichtgelegenheit

17.30 Uhr          Wir beten den Rosenkranz

18.00 Uhr          Vorabendmesse

19.00 Uhr          O   Hl. Messe

 

8.00 Uhr            Pfarrgottesdienst

9.00 Uhr            T   Hl. Messe, anschl. Fronleichnamsprozession

10.00 Uhr          Hl. Messe

14.00 Uhr          Taufe

18.00 Uhr          W   Hl. Messe

In eigener Sache

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Themenreihe "Unser Gottesdienst"

Als ich Kaplan in Furth war, hab ich mir irgendwann Gedanken darüber gemacht, wie mein „Stundenplan“ als Pfarrer einmal aussehen soll. Gottesdienste, Sitzungen, Schule, Gespräche, pastorale Besuche, Freizeit und ein Zeitpuffer. Ich müsste diesen Zettel wieder einmal suchen, aber ich hab schon vor meinem Amtsantritt in Roding gemerkt, dass diese Aufstellung illusorisch ist. Allenfalls interessant, wie man die unterschiedlichen Aufgaben gewichtet und verteilt hätte oder welche „Dienstbereiche“ in der Praxis oft hintan stehen.

Viele Menschen fragen sich ja, was ein Pfarrer denn außer Messen, Predigtvorbereitung, Schule und – ab und zu – einer Beerdigung so tut. Ich kann sagen, dass meine Tage voll und abwechslungsreich sind. Vieles an meinem Dienst und vor allem Privatleben gibt ja schon immer Anlass zu großartigen Spekulationen. Meist erheitern sie mich, manchmal ärgern sie mich. Vor allem, wenn andere Menschen in diesen Tratsch einbezogen werden und darunter sogar leiden müssen, oder wenn sie meinen Dienst erschweren, weil man mir die Worte im Mund umdreht oder sie mir nicht abnimmt.

Ich kann Ihnen sagen: was viele am Pfarrer „spannend“ finden, ist reichlich banal – was dagegen für die meisten „gewöhnlich“ und langweilig scheint, ist für mich ungemein wichtig, ja spannend.

Neben manchem anderen, was durchaus auch erwähnenswert wäre, was aber auch nicht nach außen dringen muss, weil sich sonst schon wieder Leute fragen, um „wen es denn da gehen“ könnte, ist für mich die Feier der Gottesdienste und das Gebet zentral. Ich lege Wert auf eine stimmige und korrekte (Ja: das Heilige ist kein Spielfeld der Selbstverwirklichung!) Liturgie.

Gerade als Regionaldekan gewinne ich Einsicht, Bestätigung für das, was auch ich (schon) „gut“ mache und das, was ich noch sorgfältiger machen könnte. Auch die verschiedenen Mitbrüder, die ich hier schon erleben durfte, machen immer wieder neu sensibel für die Liturgie und die eigene Feierpraxis.

Gleichzeitig schätze ich mit den Jahren immer mehr das Gebet der Kirche weltweit, lege Wert auf einen vollständigen Wortgottesdienst, auf die Predigt, die sinnen-volle Feier des Brotbrechens – wie die Feier der Eucharistie schon in der Apostelgeschichte genannt wurde. Beten mit der Kirche heißt zudem, der Gemeinde zuzutrauen, dass sie sich auf Feierformen wie Christvesper, Trauermette oder Pfingstvigil einlässt.

Beten mit der Kirche heißt aber auch, die Gestaltungsmöglichkeiten auszunutzen und dadurch „nicht immer das Gleiche“ zu feiern. Und es heißt zuletzt auch sorgsam damit umzugehen, wo man als Theologe und Liturge dem Geist Raum gibt und in freier Entscheidung einen eigenen Akzent setzt.

Unser Gottesdienst

Wo begegnen wir uns als Gemeinde? Ganz klar: im Gottesdienst. Es gibt auch nach über sieben Jahren Menschen, denen ich regelmäßig begegne, mit denen ich aber noch nie ein Wort gewechselt habe. Wenn es in dieser Zeit nicht zu einer Begegnung bei Gelegenheit, etwa bei einer Taufe oder einem Trauerfall gekommen ist, weiß ich nichts von ihnen. Vielleicht kenne ich sie dem Gesicht nach, vielleicht nicht einmal das. Aber sie kennen mich, feiern mit mir als Vorsteher Gottesdienst, lassen sich von mir ansprechen.

Bei dieser Feier wird deutlich: ich bin nicht bloß ein Live-Moderator, liefere nicht nur eine Bühnenvorstellung. Nein: ich bringe zur Sprache, was uns zur Feiergemeinschaft macht. Ein Gebet von mir ohne das Amen der Mitfeiernden ist schlichtweg nicht vorstellbar.

In unserer Feier spiegeln sich 2000 Jahre Kirchengeschichte und Traditionen, die noch weiter zurückreichen, z.B. ins Judentum. Wie wir feiern und was wir feiern geht nicht ohne den Anfang, den Jesus selbst gesetzt hat. Natürlich haben Glaubensformeln und -formen, Veränderungen und Rückbesinnungen diesen Anfang überformt – aber er ist immer noch da. Eigentlich ist das der stärkste Gottesbeweis: Wenn unsere Kirche – Gemeinschaft, Institution, Feiergestalt, Glaube – reines Menschenwerk wäre, hätten wir sie in 2000 Jahren schon mehrfach an die Wand gefahren. Es ist wohl so: der Geist Gottes in ihr ist stark genug, das Menschenmögliche zu hegen und zu fördern und dem Menschenunmöglichen zu widerstehen.

Kristallisationspunkt dieser geistgewirkten Gegenwart Gottes unter uns Menschen in der Kirche ist der Gottesdienst und hier noch einmal in einmaliger Weise die Feier der Eucharistie: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Wenn wir die Quelle des Heiles wieder lebensspendend machen wollen, auch und gerade in einer Zeit, in der die Kirche vermeintlich einen Abbruch erleidet, dann müssen wir neu begreifen, welch großes Geschenk uns der Herr mit diesem Stiftungsauftrag gemacht hat.

In der (sonntäglichen) Feier pulst das Herz der Kirche, lebt Gemeinde vor Ort, gestaltet sich die Kirche aller Welt und aller Zeit im Jetzt und Hier aus, begegnen wir dem lebendigen Gott gemäß seinem Wort.

Wie hat das begonnen? Wie hat es sich verändert? Wie drückt sich all das heute aus – und warum genau so? Ich hoffe, Sie freuen sich auf das gemeinsame Nachdenken –

und Teil 2:

Das Christentum des Anfangs war keine Massenbewegung. Selbst die Zahlen, die die Apostelgeschichte nennt - dass etwa an einem Tag mehrere Tausend auf einmal sich taufen ließen (Apg 2,41) - dürften eher euphorisch zu verstehen sein. Einen guten Eindruck des Alltags liefert die Bibel freilich trotzdem. Die Christen mussten mühsam gegen das religiöse Establishment argumentieren. Auspeitschen, Gefängnis oder gar Tod (Apg 4-7) gehörten dazu. Wenn man nicht viel hat, braucht man nicht viel teilen. Insofern kann der Satz „Sie hatten alles gemeinsam!“ (Apg 2,44) durchaus stimmen. Wichtig war: „Sie brachen in ihren Häusern das Brot.“ (Apg 2,46) In diesem Satz steckt ganz viel drin:

Das „Brotbrechen“ war nichts Neues: Jesus selbst hatte es praktiziert – und zwar als Zeichenhandlung. Wenn er „mit Sündern“ zu Tisch saß, wenn er in Gleichnissen davon sprach, wie eine ständische Tischordnung aufgebrochen wird („erste Plätze“) und dies wohl auch vorgemacht hat, wenn das kommende Reich mit einem solchen Mahl verglichen wurde, dann gehörte dieses Mahl zu unbedingten Identität derer, die sich nach Ostern weiter zu Jesus bekannten. Auch der nachösterliche Christus offenbarte sich im Mahl: im Jüngerkreis in Jerusalem, beim Abendbrot der Emmaus-Jünger, am See Genezareth. Darum blieb er im Mahl gegenwärtig.

Nach allem, was wir wissen, war das letzte Abendmahl – wie die Mähler davor – ein echtes Sättigungsmahl. Davor, danach oder als Rahmen wurde aber EIN Brot für alle geteilt, EIN Becher gereicht, aus dem dann alle tranken. Diesen Brauch behielten die Christen in Erinnerung an dieses letzte Stiftungsmahl der Gegenwart Christi auch nachösterlich bei. Sie waren noch in keiner Kirche, sie hatten wohl kaum ausgefeilte Gebete, beteten aber natürlich miteinander, sie saßen am Tisch und unterhielten sich. Aber sie verstanden sich als „Ver-sammlung um den gegenwärtigen Herrn“ gemäß seinem Wort: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt bin, da bin ich mitten unter ihnen. (Mt 18,20)

So banal das klingt: aber im Wesentlichen machen wir es heute noch genauso. Wir kommen in „unserem Haus“ zusammen, beten und essen von einem Brot. Ohne sakral sein zu müssen, leitet es damals wie heute der Hausvater (das war tatsächlich auch damals eine Aufgabe des Mannes). Dass auch Frauen, wenigstens zu Beginn, eine weitaus gleichberechtigtere Rolle in der Gemeinde gespielt haben, kann man kaum leugnen. Aber die Frage des „sakramentalen Amtes“ muss auf einem anderen Feld diskutiert werden.

Das jedenfalls, was in 2000 Jahren vom Anfang geblieben ist, ist wesentlich! Was und warum sich so vieles auch (immer wieder) verändert hat, möchte in den nächsten Teilen bedenken.

Die Geschichte der Gestalt der Eucharistiefeier ist in 2000 Jahren eine Geschichte von Auf- und Umbrüchen, von Impulsen und Anpassungen, von Vereinheitlichung und Vielfalt. Bis heute kennt die Römisch-Katholische Kirche zig verschiedene Riten. Das hat historisch damit zu tun, dass es in Fragen der Einheit wesentlich um Einheit im Glauben, nicht um Einheit im Ritus ging. Das was wir heute als den mehrheitlichen, sogenannten „lateinischen“ Ritus kennen, hat etwas mit der Dominanz der westlichen/europäischen Welt vor allem im Zeitalter der Entdeckungen und Kolonisierung zu tun – und mit den Hausaufgaben der Reformation. Aber der Reihe nach:

Wir wissen aus den ersten rund 100 Jahren nicht viel von der Feier der Eucharistie. Vor allem die jüdische Wurzel unseres Glaubens dürfte wesentlich gewesen sein: Danksagung an Gott, Gebet über Brot und Wein, erinnerndes Gedenken an den Herrn, heiliges, zeichenhaftes Mahl. Eingebettet war das meist in eine Versammlung der ganzen Gemeinde. Auch Lesen aus der Schrift und Auslegung oder (Für-)Bitte dürften früh elementar geworden sein. Wenn der Verfasser des Kolosserbriefes sagt: „Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder!“ (Kol 3,16), dann wird man vor allem Letzteres auch gemeinsam getan haben.

Allerdings gab es in diesen frühen Jahrzehnten keinen „Katechismus“, keinen ausgefeilten, einheitlichen Glauben, kein großes gemeinsames Bekenntnis. Schon Paulus muss sich von „falscher Verkündigung“ abgrenzen und warnt vor ihr: Röm 16,17; Gal 1,8f oder auch 2 Kor 11. Spätestens in der dritten Generation von Christen kristallisierten sich daher feste Kirchen- und Gemeindestrukturen heraus, um die Botschaft des Christentums in eindeutiger Weise zu formen und sich von Auswüchsen abzugrenzen. Zwei wesentliche Kirchen-Formen, die damals entstanden, gibt es bis heute in den verschiedenen Konfessionen:

1. Das apostolische oder Missionsmodell, vor allem (aber nicht nur) vom Völkerapostel Paulus favorisiert und angelehnt an die „Hauskirche“, der der Hausvater vorstand (was sehr kompatibel mit der Gesellschaftsordnung der griechisch-römischen Umwelt war!). Vorsteher heißt auf Griechisch Episkopos, daraus wurde unser „Bischof“. Und

2. Das aus dem Diaspora-Judentum übernommene Modell eines „Ältesten-Rates“, eines Gremiums, griechisch „Presbyter“, wovon sich unser deutsches Wort „Priester“ ableitet.

Beide Formen hoben sich dabei bewusst vom Priester/Opfer-Denken der heidnischen Umwelt ab. Dennoch kam es in der Folge zu einer starken Beeinflussung in diese Richtung. Sie wirkte sich spätestens ab dem „Reichskirchenmodell“ des 4. Jahrhunderts auch auf die Form der Eucharistiefeier aus und wurde im Grunde erst mit dem II. Vatikanischen Konzil vorsichtig aufgebrochen.

Eine Geschichte wird man nie los, sie prägt das Leben bis in die Gegenwart, auch dann, wenn sich immer wieder Veränderungen ergeben. Was für den Menschen zutrifft, dass trifft auch für eine Gruppe und erst recht für die Gemeinschaft der Kirche zu.

Von der apostolischen Zeit bis zur Formulierung unseres Glaubensbekenntnisses auf den Konzilien im 4. und 5. Jahrhundert sprechen wir von der Zeit der „Kirchenväter“. Viele von ihnen begegnen uns noch heute in der Allerheiligen-litanei oder an ihren Gedenktagen. Ihnen ist es zu verdanken, dass unser christlicher Glaube Struktur bekommen hat, so dass er nunmehr seit 2000 Jahren Bestand hat. Wir glauben, dass in solchen Menschen der Heilige Geist selbst seine Kirche leitet und unterweist – bis heute.

An dieser Stelle muss von einem Argumentationsfehler die Rede sein, der immer schon nur gelten ließ, was man selber gelten lassen wollte. Gewisse Kreise von Christen behaupten, dass ab einem bestimmten Punkt die Entwicklung der Kirche quasi abgeschlossen war und jedwede nachfolgende Änderung ein Irrtum sein müsse. Sie widerlegen sich selbst, denn auch bis zu diesem bestimmten Punkt gab es Veränderung. Sie muss also wesentlich dazugehören – sonst müssten wir alle zu einem Urchristentum zurückkehren, das inzwischen keinen Anknüpfungspunkt mehr in unserer Gesellschaft finden würde und im Übrigen keinerlei Strukturen kannte, außer dass der christliche Glaube schon immer die Sache einer Gemeinschaft von Menschen und nicht nur persönliche Frömmigkeit war. 2000 Jahre Kirchengeschichte beweisen im Gegenteil, dass es schon immer die Kraft der Veränderung in Treue zum Ursprung war, die den Glauben an kommende Generationen weitertradiert hat.

Wer heute sagt: Glaube ja, Kirche nein, mag noch von dem zehren, was er als junger Mensch einmal mitbekommen hat. Sein persönlicher Glaube wird aber einsilbig und eng, weil ihm der Impuls von außen fehlt. Umgekehrt entzieht er sein Charisma der Gemeinschaft und behält es sich vor. Er mag noch selbst gläubig sein, seinen Kindern aber verwehrt er den Erfahrungshorizont von Glauben im Austausch, sie werden religiös immer mehr verstummen.

Das ist übrigens die eigentliche Krise der Kirche: Dass das Fernbleiben der Vielen eine Verdunstung des Glaubens in den Folgegenerationen nach sich zieht. Auch in unserer Zeit muss sich – selbstverständlich – Kirche ändern, so wie es schon immer war, sonst erstarrt sie. Aber diese Veränderung kann nur im liebenden, wertschätzenden, hörenden Dialog geschehen – und vor allem durch das gemeinsame Gebet auch derer, die unterschiedlicher Auffassung sind.

Deswegen feiern wir am Sonntag Gottesdienst.

Woran erkennt man eine Kirche? Diese Frage mag zunächst simpel klingen – ist sie aber nicht! Was unterschied die ersten Kirchenbauten von den Sakralbauten, den Tempeln der nichtchristlichen Umwelt?

In unserem Wort „Kirche“ steckt das griechische Kyrios, also Herr. Kirche ist, was zum Herrn gehört, egal ob Haus oder Gemeinschaft. Der Begriff Kirche ist aber spätantik. Die eigentliche Selbstbezeichnung der Christen war – und ist es theologisch bis heute – Ecclesia. (Noch heute heißt die Kirche im Französischen z.B. eglise.) Auch dieses Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet Versammlung. Damit kommen wir auch unserem Kirchenbau näher!

Wesentlich für die frühen Christen war das Gefühl von Gemeinschaft. Das hatten sie mit ihrer jüdischen Wurzel gemeinsam. Auch deren Gotteshäuser außerhalb Jerusalems waren keine „Mini-Tempel“ sondern Versammlungs-Häuser zum gemeinsamen Gottesdienst. [Um Ihre Verwirrung noch größer zu machen: im Griechischen gibt es noch ein weiteres Wort für Versammlung, wörtlich: Zusammenkunft, nämlich Synagoge!]

Als die Christen mehr wurden und einfache, große Häuser nicht mehr ausreichten, vor allem, nachdem Kaiser Konstantin 313 begonnen hatte, das Christentum zu fördern, suchte man architektonische Vorbilder für die neuen, größeren Versammlungen. Dabei wollte man sich weiterhin bewusst von der heidnischen Umwelt absetzen, deswegen wählte man aus praktischen und ideologischen Gründen einen „Profan-Bau“, also eine Halle, die ausdrücklich nicht für Gottesdienste, sondern für Versammlungen gedacht war: die Basilika. Basiliken waren Markt- und Gerichtshallen, die die Macht des Herrschers vor Ort verdeutlichten: In der vorderen Apsis – dem halbrunden Abschluss – stand oft eine Statue des Kaisers, darunter der Stuhl, auf dem sein Stellvertreter z.B. Gericht sprach.

Diese Architektur nun griff die Kirche auf. Man ersetzte das Kaiserbild durch ein Mosaik, das Christus zeigte oder durch ein Schmuckkreuz: Christus ist unser Herr und König. Auf dem Stuhl nahm der Vorsteher der Versammlung Platz. Nicht immer feierte die Versammlung Eucharistie, ein Tisch war in der Basilika ohnehin nicht vorgesehen. Doch schon bald wurde er zum festen Ausstattungsgegenstand. Ähnlich erging es – abgesetzt vom Vorstehersitz – einem Verkündigungsort vor allem für die Lesungen aus der Schrift (die Predigt wurde vom Sitz aus gehalten), der etwas erhöht war, damit alle besser sehen und hören konnten, der Ambo (wörtlich: Erhöhung). Fertig war die Kirche, wie wir sie heute noch kennen – fast. Denn wann kam der Altar und warum? Und der Tabernakel?

Es dauerte nur wenige Jahrzehnte, von Beginn des 4. Jahrhunderts bis zu dessen Ende, da war das Christentum von der erlaubten und geförderten zur bestimmenden Religion im Römischen Reich geworden. Grenzte man sich anfangs von der öffentlichen Praxis der heidnischen Religionen, den „Opfern“, noch deutlich ab, so bediente man sich bald ihrer „Formensprache“, um sie in allen Bereichen zu ersetzen. Ihre Konkurrenz oder Verwechslung musste man nun ja nicht mehr fürchten – und bekehren konnte man leichter, wenn es Anknüpfungspunkte gab. In diese Zeit fällt zum Beispiel die Einführung vieler Feste an bisher heidnisch belegten Gedenktagen, am prominentesten sicher Weihnachten zur Wintersonnenwende.

Von der Basilika, der Halle des Herrschers, als Vorbild für den Kirchenbau war schon die Rede. Aber nicht nur die Architektur, auch das Hofzeremoniell wurde nun übernommen, um dem Gottesdienst ein feierliches Gepräge zu geben und die Herrschaft Gottes in Wort und Ritus auszudrücken.

Beides – Formensprache heidnischer Religionen und Aufgreifen hofzeremonieller Abläufe – führte nun endgültig weg von der ursprünglichen Form des „Brotbrechens“. Zwar verstand die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt noch den Gottesdienst, der zunächst griechisch und dann in der westlichen Kirche lateinisch gefeiert wurde, dennoch wurden die Mitfeiernden zu ehrfürchtig staunenden „Zuschauern“ einer „himmlischen Liturgie“: ein sakraler Raum hob sich von der gewöhnlichen Gemeinde ab, der später sogar optisch so abgetrennt wurde, dass man den Himmel dahinter nur ahnen konnte. Bei uns wurde in der Gotik ein sogenannter „Lettner“, ein oft filigranes „Absperrgitter“ daraus, das im Barock zum „Speisgitter“, der Kommunionbank schrumpfte, in der Ostkirche gibt es bis heute die verhüllende Bilderwand, die „Ikonostase“.

Noch aber sahen sie: Bischof, Priester, Diakone, liturgische Dienste in prächtigen Gewändern, Kerzen, Schmuck, Weihrauch. Die Gesänge wurden so kunstvoll, dass Kantoren und Chöre diesen Part übernahmen. Im Zentrum nun: nicht mehr ein Tisch, sondern ein steinerner Altar. Die „Opfer“ der Vorzeit ersetzt durch das eine, unüberbietbare Opfer Jesu, dessen nun eben an einem Opferaltar gedacht wurde, freilich unblutig und in der überlieferten Form mit Brot und Wein.

Die schlichten Gesten der Darbringung früherer Feiern wurden immer größer und ausladender: Emporheben der Gaben, Verneigung, später Kniebeuge, Kreuze im Segensgestus oder in Form der Selbstbekreuzigung. Was einmal eingeführt war, wurde dann nicht mehr weggelassen. Vorbild waren natürlich die großen Kirchen, Bischofssitze, im Westen allen voran Rom. Was hier „hipp“ war, wurde bald überall (nach-)gemacht. Bis zum Tabernakel – wie im letzten Teil angekündigt - dauerte es aber noch ein wenig.

Sprechen Sie Englisch? Und wenn, dann wie gut? Trauen Sie sich zu, einem englischsprachigem Gottesdienst beizuwohnen und alles zu verstehen? Wenn Sie über diese Fragen nachdenken, können Sie sich in unsere christlichen Vorfahren rund um das 6. Jahrhundert hineinversetzen. Zwar wurde der Gottesdienst von Anfang an in vielen Sprachen gefeiert, für die Kirche im westlichen Römischen Reich bediente man sich aber der „Verkehrssprache“ der Menschen, des Lateins. Dies wurde so kennzeichnend, dass wir für viele Jahrhunderte für unsere ost-kirchlichen Schwestern und Brüder schlicht „die Lateiner“ (oder „die Römer“) wurden, denn als „katholisch“ im Sinne des Glaubensbekenntnisses empfanden sie sich ebenso. Bis heute sind wir deswegen römisch-katholisch.

Was zum Ende des Weströmischen Reiches mit seinem Völker- und Sprachengemisch absolut Sinn machte, nämlich den Gottesdienst in der Sprache zu feiern, die die allermeisten verstanden, verkehrte sich nach dem Zusammenbruch und der Völkerwanderung ins Gegenteil. Latein sprachen nur mehr die „Romanen“, also der verbliebene Rest der ansässigen Bevölkerung. Die neuen Völker sprachen gotisch oder eine germanische oder slawische Sprache. Der Reihe nach ließen sich in den folgenden Jahrhunderten Herrscher taufen – und nahmen ihre Untertanen gleich ins Christentum mit. Die Fürsten und Könige übernahmen den Glauben aus taktischen Gründen, sie setzten z. B. auf die Infrastruktur, Kultur, Bildung, Verwaltung. Diese waren mangels Alternative einer römischen Staatsmacht in die Hände der Kirche übergegangen. Von jetzt an wurde zwar das einfache Volk „auf Teufel komm raus“ getauft, vom neuen Glauben hielt und verstand es aber buchstäblich nichts. So blieb es – sehr verkürzt gesagt – knapp 1000 Jahre, bis die Reformatoren genau hier ansetzten, um den Menschen den Glauben (wieder) verständlich zu machen.

Interessant ist, dass sich in der Folge zwar die römisch-katholische Kirche ganz bewusst davon absetzte, indem sie beim Latein als Liturgiesprache verblieb, sehr wohl aber einen volkssprachlichen Kurs fuhr in Form der Lieder, die wir heute noch im Gotteslob finden. So sollten auch Katholiken künftig ihren Glauben besser verstehen und bekennen. Hinzu kam der erste Katechismus – aber das wäre etwas für eine Reihe über Religionspädagogik.

Bei unserer Reise durch die Geschichte unseres Gottesdienstes – und damit hin zum Verstehen unserer heutigen Feierform – ist diese markante Wende in der Spätantike wichtig: die meisten Christen sind nun nicht nur hierarchisch (Kleriker – Laien) und optisch (Eucharistie als Brotbrechen – Messe als Kunstwerk in entsprechender Kirchenarchitektur), sondern auch im Verstehen (sprachlich und intellektuell) dem Gottesdienst entfremdet. Was ich nicht mehr verstehe, muss ich vermuten oder deuten. Mit großem Risiko zu Missverständnissen – von denen es in der Folge zu reden gilt.

Der Mensch ist ein sinnliches Wesen: Berührung, Geschmack, Geruch, Hören und Sehen gehören zu uns. Wo wir zu einem davon nicht fähig sind, sprechen wir gern von einer Behinderung (wobei das nicht stimmt, denn solche Menschen empfinden ihren Zustand in der Regel als für Sie normal). Obwohl alle unsere Sinne für die Entwicklung eines Menschen wichtig sind, so sind es doch die beiden letzten – Sehen und Hören – die uns helfen, die Welt nicht nur zu „erfahren“ sondern sie auch zu „verstehen“. Der Königssinn – der bei einem gehörlosen Menschen natürlich durch Lippenlesen, Lesen oder Gebärde – ersetzt wird, ist das Hören. Die Entwicklung der Sprache hat uns geholfen, Abstraktes auszudrücken: wir können über Dinge reden, die schon oder noch nicht geschehen sind, über Orte, an denen wir uns gerade nicht befinden oder Menschen, die gerade nicht da sind. Und: uns hat sich damit auch die Dimension Gottes erschlossen, wir sind religiös sprechfähig geworden.

Man muss sich das einmal ganz bewusst vor Augen halten, um das Große in dem zu sehen, was inzwischen alltäglich oder Vielen gar egal geworden ist.

Von daher verstehen wir, wie problematisch die sprachliche Entfremdung in der Liturgie, von der zuletzt die Rede war, auch für den Glauben der gewöhnlichen Menschen wurde. Bildprogramme in den Kirchen – wir sehen sie z.B. in unserer Josefi-Kapelle! – ersetzten das erklärende Wort, man ging über zu einer „Schau-Frömmigkeit“. Alles, was besonders aussah, musste etwas Besonderes sein: die Priester, der Altarraum, die hochgehobene Hostie. Um diese „Schau“ in der Liturgie nicht zu verpassen, wurde ein akustisches Signal eingeführt: das Schellen der Altarglocken. Die Erwartung der Gemeinde und die Feierform bedingten sich gegenseitig: Weil nun „geschaut“ werden sollte, wurde die Hostie auch entsprechend „präsentiert“, bald nicht nur bei der Wandlung, sondern auch bei der Gabenbereitung („Opferung“) und vor der Kommunion – des Priesters! Denn auch das hatte sich inzwischen geändert. Die gewöhnlichen Menschen konnten sich quasi überhaupt nicht vorstellen, würdig genug zu sein, um nach so einer „himmlischen Schau“ dieses wundersame Brot auch noch zu essen! Das führte dazu, dass das Laterankonzil 1215 alle Katholiken verpflichtete, einmal im Jahr zur Kommunion zu gehen. Vorzugsweise an Ostern und dann selbstverständlich nur nach vorheriger Beichte – eine Verbindung, die im 20. Jahrhundert schließlich dazu führte, dass man meinte, man könne überhaupt nur zur Kommunion gehen, wenn man vorher gebeichtet hat. Die Förderung des häufigen Kommunionempfangs seit rund 100 Jahren hatte so zur Folge, dass das Sakrament der Versöhnung von vielen als „Zwangsbeichte“ erfahren wurde, von der man sich schließlich „emanzipierte“. Schade um dieses Missverständnis, das heute die Beichtstühle leer und die Wartezimmer der Psychiater voll macht.

„Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben.“ So hören wir es am Weißen Sonntag im Evangelium. Es war eine Gnade der ersten Jünger, den Auferstandenen sehen zu dürfen, aber schon zu Zeiten der Abfassung des Johannesevangeliums musste vor einer Reduktion des Wahren auf das sinnlich Erfahrbare gewarnt werden.

Freilich sehnen sich die Menschen danach und so sind unsere Kirchen, ist unsere katholische Messe auch ein Fest für die Sinne. Die Warnung allerdings bleibt: man soll das Äußere nicht mit dem Eigentlichen verwechseln. Im Mittelalter wurde daher die Lehre von der Transsubstantiation formuliert, um das Geheimnis der Eucharistie auszudrücken. Vereinfacht gesagt: die Gestalt des Brotes (und des Weines) bleibt, das Wesen aber, die „Substanz“ wandelt sich. Sie wird Leib und Blut Christi. Dieser Lehrsatz wollte einem bloß symbolischen Verständnis eindeutig widersprechen. Wir spielen nicht das Abendmahl nach, sondern Jesu Wort „das ist mein Leib“ wird wahr. Allerdings gilt dieser Satz nicht nur für Brot und Wein für sich – und jetzt wird es kompliziert.

Ein ganz wichtiger Grundsatz unseres Glaubens ist „sowohl als auch“. Das ist leider anstrengend und für Viele unbefriedigend, die am liebsten „entweder oder“ hören möchten. Aber nur so können wir angemessen von Gott reden, denn alles, was wir von ihm sagen, muss sich davor hüten, ihn „fassen“ zu wollen. Natürlich ist Gott „gut“. Aber unter gut verstehen wir so vieles, unterschiedliches, allzu menschliches, dass wir gleichzeitig sagen müssen: Gott ist mehr als gut, ja er ist „nicht gut“, wo wir ihn auf etwas festlegen wollen.

Ich persönlich finde den Zugang dazu auch über die Naturwissenschaft, die Physik. Manche meinen, weil sie Gott für eine Formel nicht brauchen, gibt es ihn nicht. Aber Gott zu einem Faktor einer physikalischen Formel zu reduzieren, macht ihn klein und spricht eher für ein verengtes Gottesbild als gegen die Existenz Gottes! Fragen Sie einen Physiker, was Licht ist und er wird Ihnen sagen: Licht ist eine Welle und gleichzeitig ein Teilchen. Immer wenn wir das Teilchen messen wollen, entzieht es sich, immer wenn wir von der Welle sprechen, entdecken wir das Teilchen.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter Ihnen.“ ER ist da – und gleichzeitig nicht messbar, fassbar. Die Eucharistie ist nicht für sich selbst da. Die Hochgebete sprechen davon, was die lebendige Gabe ist, was da gewandelt werden soll, was zum Leib Christi werden soll: nämlich wir, die Menschen, die sich im Namen des Herrn versammeln und Communio, Gemeinschaft mit IHM und untereinander werden. Und natürlich werden auch das Eucharistische Brot und der Wein gewandelt, darum können wir in Ihnen auch den Herrn verehren und ihn anbeten, ja: ihn sehen. Aber nicht „für sich“ sondern für uns. Das ist das größte aller Wunder, vor dem wir nur dankbar auf die Knie gehen können: Mein Herr und mein Gott!

Wenn heute im öffentlichen Raum von „Opfer“ die Rede ist, dann in mehreren Bedeutungen. Bei Attentaten und Unglücken sind „Opfer“ zu beklagen. Sie sind unverschuldet ums Leben gekommen, das macht sie zum Opfer. Ähnliches gilt von Menschen, die von anderen verbal oder handgreiflich verfolgt, z.B. gemobbt werden. Wer seine Bedürfnisse zugunsten eines anderen hintanstellt, z.B. für die Pflege eines kranken Menschen, der bringt damit ebenfalls ein Opfer. Allerdings brauchen alle diese modernen Bedeutungen keine religiöse Dimension mehr.

Der Begriff freilich stammt genau von da her: Menschen gaben etwas spürbar Wertvolles, um etwas anderes Wertvolles, was sie nicht in der Hand hatten, zu bekommen, nämlich die Gunst der Götter, bzw. Gottes: Vergebung, Schutz, Regen, Nahrung, Gesundheit...: Um etwas zu bekommen, muss man etwas anderes hergeben.

Dieser Opferbegriff steckte tief in den Knochen der Gläubigen, auch in Generationen von Christen. Im Grunde können wir es bis heute nicht glauben, dass unser Tun und Handeln „nur“ Antwort auf die bedingungslose Liebeszusage Gottes ist, wie sie uns Jesus von Nazareth vorgelebt und gepredigt hat. Ja: Gott hat uns zuerst geliebt.

Diese Überzeugung sägt an den Stühlen der bloß irdisch Mächtigen, denn sie können uns – selbst wenn sie uns quälen oder gar töten – eigentlich nichts mehr anhaben. „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“ fragt daher Paulus (Röm 8,35). Zu dieser Botschaft stand Jesus und wurde dafür (mund-)tot gemacht. Im Tod hat er sich schließlich als der Christus erwiesen, als der „Erste der Entschlafenen“ (1 Kor 15,18), der durch seine Auferstehung ein für alle mal klar gemacht hat, dass seine Botschaft wahr ist und was sie für den Menschen bedeutet. Jesus war ein Opfer derer, die die Botschaft von der Liebe Gottes zum Schweigen bringen wollten. Wenn wir seinen Tod und seine Auferstehung im Brechen des Brotes feiern, bekennen wir nicht nur, dass er der Ewige ist, der die Macht des Todes gebrochen hat, wir lassen ihn auch sicht- und erfahrbar werden, indem wir „ein Leib und ein Geist werden in Christus.“ (Zweites Hochgebet, nach Eph 4,4)

Dieses „Opfer“ des bedingungslosen Vertrauens in den Vater lassen wir lebendig werden, wenn wir uns zum Brechen des Brotes gemäß der Weisung Christi versammeln. Christus will durch uns leibhaftig erfahrbar für diese Welt und Zeit werden. Deswegen hat das Zweite Vatikanische Konzil wieder Wert auf eine deutliche Mahlgestalt des „Messopfers“ gelegt und darauf, dass die gesamte Versammlung Träger des Vollzugs ist, nicht nur der Priester – auch wenn diesem innerhalb der Versammlung eine einmalige Funktion zukommt.

Ich hoffe, Sie bleiben mit dabei. Bald wird es – nach diesen Grundlagen – wieder etwas „handfester“.

Ich erinnere mich, vor einigen Jahren einmal in einem Hirtenwort von Bischof Rudolf Graber, kurz nach dem Konzil, über die erneuerte Form der Messfeier sinngemäß gelesen zu haben: nicht Opfer ODER Mahl, sondern Opfer UND Mahl – im Zeichen des Kreuzes. Wie das Kreuz verbindet die Feier der Eucharistie Himmel und Erde: in der Gestalt des Mahles wird das Opfer der liebenden Selbsthingabe Christi gegenwärtig.

Nun dürfen wir also noch einmal an den Anfang gehen: wie feierten die Christen zunächst Eucharistie? Beim Abendmahlssaal dürfte es sich um eine Art Triclinium gehandelt haben. Dabei lag man hufeisenförmig um eine offene Mitte. (Leonardo da Vincis „Abendmahl“ dürfte also historisch nicht korrekt sein.) Auf die Linke gestützt und die Beine nach hinten ausgestreckt aß man mit der rechten Hand. Das Gespräch führte man zur Mitte oder man dreht sich zum Nachbarn hin. So wird verständlich, warum der Lieblingsjünger bei Johannes an seiner Seite lag und sich an seiner Brust zurücklehnte (Joh 13,23-25) Bei Lukas und Markus lesen wir daher, dass der Raum mit Polstern ausgestattet war (Lk 22,12 par.) Der Vorsteher nahm den Mittelplatz ein. Von daher verstehen wir die „Richtung“ des Mahls. Man saß (oder stand) nicht rund um einen Tisch, sondern – wenn auch „gebogen“ – neben dem Vorsteher. man kann sich gut vorstellen, dass bei einer größeren Versammlung die weiteren Mitfeiernden „dahinter“ ihren Platz hatten und so eine einheitliche Blick- und schließlich Gebetsrichtung entstand. Als dann in den Basiliken die großen Versammlungen waren, blieb es vermutlich am Altar-Tisch bei dieser Gebetsrichtung und der Vorsteher wandte der Gemeinde hierbei den Rücken zu, bzw. betete mit ihr in dieselbe Richtung (z.B. zum Kreuz im Altarraum oder bei entsprechender Ausrichtung nach Osten hin). In der bereits in früheren Folgen beschrieben Dynamik der Trennung zwischen Altar- und Gemeinderaum bzw. Klerus und Laien schob sich der Altar immer mehr Richtung Wand.

Unsere Mahlgewohnheiten sind kulturell und historisch bedingt inzwischen andere. Selbst bei einer Feier mit einem „Ehrentisch“ quer zur Front sitzen nun die vorderen Leute der Versammlung zugewandt. Auch deswegen zelebriert der Priester nun mit Blickrichtung zur Gemeinde, versammelt um SEINEN Tisch.

Aber auch die Verschiebung von einer doch recht einseitigen Fixierung auf den Opferbegriff hin zu einer Feier im zweifachen Sinn (s.o.) spricht für diese Änderung. Schließlich kommen wir auch wieder darauf zurück, dass alle in den Blick nehmen können und sollen, was am Altar geschieht – und zwar ebenfalls ohne zeit- und gestaltbedingt „ausladende“ (Opfer-) Gesten.

Geschehen ist ein Prozess. Wir möchten am liebsten genau den Zeitpunkt erwischen, an dem „es“ passiert, aber damit werden wir dem Geschehen nicht gerecht. Wer je beim Sterben eines Menschen dabei war, weiß, was ich meine. Natürlich gibt es irgendwann den letzten Atemzug, den letzten Herzschlag. Das ist DER Augenblick. Aber wenn man das Sterben auf diesen Augenblick reduzieren würde, nimmt man ihm etwas Wesentliches.

Wann geschieht in der Eucharistiefeier die Wandlung? Diese Frage beschäftigte die Westkirche in den ersten 1000 Jahren nicht besonders intensiv. Es gab ja nie nur die Stiftungsworte isoliert („Das ist mein Leib/Blut“), sie waren immer eingebunden ins Gebet und dieses Gebet eingebunden in die Feier. In der Ostkirche ist bis heute die Herabrufung des Heiligen Geistes wesentlicher als das Stiftungsgedächtnis. So sehr, dass es sogar ein auch von der Römischen Kirche als „gültig“ anerkanntes Hochgebet einer orientalischen Kirche gibt, in der das Stiftungsgedächtnis nicht einmal vorkommt! Erst die theologische Auseinandersetzung des Mittelalters trieb – um jede Form von Missbrauch zu verhindern – die Diskussion auf die Spitze und konzentrierte den „Augenblick der Wandlung“ auf die Stiftungsworte. Aus dieser Fokussierung wurde eine liturgische Überhöhung des Augenblicks mit Läuten, Erhebung, Weihrauch, Kniebeuge, Kreuzzeichen. Diese Überhöhung aber wird dem Gesamt des Gebets und der Feier nicht gerecht. Es wäre ins Extrem gesprochen so, als wenn der Priester nichts anderes täte als das. Ein Vollzug am Altar von einer Minute, gar im Minutentakt – diese Vorstellung ist absurd.

Das „Grundgesetz“ unserer Liturgie ist die entsprechende Konstitution des II. Vatikanischen Konzils „Sacrosanctum Concilium“ (SC, 1963). Sie war die erste Frucht des Konzils, fußte aber auf jahrzehntelangen Vorarbeiten und Entwicklungen, etwa der sogenannten „Bet-Sing-Messe“ oder dem „Schott“. Beides zielte darauf, die Gemeinde stärker für das Geschehen zu sensibilisieren und einzubinden. In SC 34 nun heißt es: „Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein.“ Als „Ausführungsbestimmung“ wurde 1970 ein neues Messbuch herausgebracht. Dessen „Allgemeine Einführung“ (AEM) regelt bis heute die weltkirchlich verbindliche Feier der Liturgie. Das noch von Papst Johannes Paul II. um die Jahrtausendwende neu herausgebrachte Messbuch ist noch nicht für den deutschen Sprachraum angepasst. Seine neue „Allgemeine Einführung“ (jetzt zur Unterscheidung GORM) enthält zwar einige Überarbeitungen, sie sind aber für die deutsche Kirche noch nicht in Kraft gesetzt. Im Messbuch von 1970 findet sich zudem die „Feier der Gemeindemesse“ (FG) als Vorschriften für den deutschen Sprachraum. Daran haben sich alle Priester zu halten. So. Jetzt sind Sie fit für das Kapitel „Warum beim einen so und beim anderen anders?“

Wissen Sie, warum der Rubin so heißt? Weil er rot ist – und rot heißt auf Latein „ruber“. Rubrica ist rote Erde, später bezeichnete die „Rubrik“ ein Gesetz, weil die Titel der Gesetze… richtig: mit roter Tinte geschrieben wurden. Wenn Sie mal in der Sakristei vorbeischauen und in unserem Messbuch blättern, entdecken Sie die Texte in schwarz und die „Regieanweisungen“ in rot. Manch ein Anfänger hat die schon mal laut mitgelesen…

Diese Rubriken nun geben mal deutlicher, mal weniger deutlich vor, was wann zu sagen und wie etwas in der Liturgie zu vollziehen ist. Kommen wir auf das Herzstück der Eucharistiefeier, auf die Wandlung zurück, dann lesen wir u.a. Folgendes: (bei der Stelle „nahm er das Brot“) Er [der Priester] nimmt das Brot, erhebt es ein wenig über dem Altar und fährt fort (…) (zu „Nehmet und esset…“) Er verneigt sich ein wenig (außer wenn er dem Volk zugewandt steht). Er zeigt der Gemeinde die konsekrierte Hostie; dann legt er sie in die Hosteinschale und macht eine Kniebeuge.

Nun dürfen wir noch einmal den großen Bogen schlagen: vom Brotbrechen der Urkirche über die „Opferfeier“ am Hochaltar, vom Mahl zur Schau, dann sehen wir: die Liturgiegeschichte hat ihre Spuren hinterlassen, aber sie setzt auch die Forderung der „edlen Einfachheit“ von SC 34 um. Worte wie „ein wenig“ reduzieren die Gesten, „der Gemeinde zeigen“ ist etwas anderes als das vorkonziliare „Hochheben und präsentieren“. Ohnehin ist der ursprüngliche Gestus eine Darbringung und Danksagung an den Herrn und hatte mit Herzeigen ünerhaupt nichts zu tun. Auch war der Darbringungsgestus eher eine orientalische Tischsitte und damit bei der Gabenbereitung angesiedelt, wurde aber – um die „Wandlung“ hervorzuheben – im Mittelalter auf das Erheben nach den Stiftungsworten übertragen. Davon nimmt die Liturgie heute wieder Abstand. Es gibt allerdings in der Folge eine Stelle, wo wirklich von „Erheben“ (nicht nur ein wenig) und auch gar nicht von Zeigen die Rede ist, nämlich dann, wenn das eucharistische Gebet beschlossen wird. Er erhebt die Hostienschale [sc. nicht die Hostie!] und den Kelch und singt oder spricht: „Durch ihn…“ Nach der Doxologie UND DEM AMEN DER GLÄUBIGEN [Hervorhebung durch den Autor] stellt er (…) [alles] wieder auf das Korporale. Was soll ich sagen: genauso mach ich’s.

Dennoch: es steht nichts von Zentimetern oder Sekunden drin. Darum ist das oft von Priester zu Priester unterschiedlich, gerade wenn man auch noch 2000 Jahre Geschichte bedenkt, die eben immer ein wenig drin steckt.

Vom „Brotbrechen“ war an dieser Stelle schon mehrmals die Rede. Es ist elementar von Anfang an, denn es ist das eindrücklichste Zeichen für das Teilen. Bei den Evangeliumstexten von der wunderbaren Brotvermehrung wachsen nicht die Brote von unten in den Körben nach, sondern sie werden durch das Teilen mehr. Jesus hat vermutlich nicht nur beim letzten Abendmahl Wert auf das Zeichen des Teilens gelegt, dieses aber durch sein Deutewort „das ist mein Leib“ auf einmalige Weise geheiligt. Daran anschließend hat die Kirche in der Gedächtnisfeier wohl anfangs vom Brot des Gemeindemahles genommen und zuerst die Eucharistie gefeiert, bevor man zur Agape überging, also zum Sättigungsmahl, an dem Reich und Arm gleichermaßen teilnahmen, so dass die soziale Dimension des Christentums leibhaft erfahrbar wurde.

Brot hat in den verschiedenen Kulturen unterschiedliche Gestalten: gesäuert (Laib) oder ungesäuert (Fladen). Während die Ostkirche bei der alltäglichen Brotsgestalt in ihren Kulturraum geblieben ist, ist die Westkirche ab dem 9. Jahrhundert zum ungesäuerten Brot des jüdischen Pessachmahles und damit auch zur vermutlichen Brotsgestalt des Abendmahles zurückgekehrt.

Zur selben Zeit begann auch die Verdinglichung in Theologie und liturgischer Praxis deutlich zuzunehmen, wovon ebenfalls schon die Rede gewesen ist. Spitzfindig – oder vielleicht auch ängstlich – wurde gefragt, ab welcher Größe denn das konsekrierte Brot Leib des Herrn ist, was dazu führte, dass man regelrechte Höllenangst vor Verunehrung der Eucharistie bekam und sich um die kleinsten Brösel sorgte. Um dieses Dilemma zu entschärfen, kam es zur „Priesterhostie“, die nur noch einmal gebrochen, besser: geknickt wurde, und zu den bereits vorgefertigten kleinen Hostien für die Gläubigen, die praktischerweise dieselbe perfekt runde Gestalt in Klein bekamen. Damit war das Kind – das Zeichen des Teilens im Brotbrechen – mit dem Bade – dem sorgsamen Umgang mit der Eucharistie – ausgeschüttet.

Hier hat das Zweite Vatikanische Konzil und sein Messbuch (AEM 283) nun wieder klare Anweisung gegeben: „Die Aussagekraft des Zeichens verlangt, dass man die Materie der Eucharistie tatsächlich als Speise erkennt. Daher soll das eucharistische Brot (...) so beschaffen sein, dass der Priester bei einer Gemeindemesse das Brot wirklich in mehrere Teile brechen kann, die er wenigstens einigen Gläubigen reicht. Die kleinen Hostien sind jedoch keineswegs ausgeschlossen, falls die Zahl der Kommunizierenden (...) sie erforderlich machen.“

Exkurs: Bildung als Mystagogie

Papst Franziskus hält Ansprache zum Thema Liturgische Bildung

Am 14. Februar 2019 empfing Papst Franziskus die Teilnehmer des Vollversammlung der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung in Audienz. in seiner Ansprache ging er auch auf das Thema der Versammlung, „Die liturgische Bildung des Gottesvolkes“, ein:

Weil sich in der Liturgie die kirchliche Gemeinschaft offenbare – die Gebet und Riten sprechen vom „Wir“ statt vom „ich“ -, sei es wesentliche Aufgabe der liturgischen Bildung, „im Gottesvolk den Glanz des lebendigen Mysteriums des Herrn zu verbreiten, das sich in der Liturgie offenbart.“ Dies bedeute vor allem, „sich der unerlässlichen Rolle bewusst zu werden, die die Liturgie in der Kirche und für die Kirche hat. Und dann dem Gottesvolk konkret zu helfen, das liturgische Gebet der Kirche besser zu verinnerlichen, es als Erfahrung der Begegnung mit dem Herrn sowie mit den Brüdern und Schwestern zu lieben und in diesem Licht dessen Inhalte wiederzuentdecken und seine Riten zu beachten.“ Dies sei keine bloße Wissensvermittlung über den Aufbau liturgischer Bücher und die strikte Einhaltung liturgischer Normen und Vorschriften, so der Papst. Vielmehr bewirke die Erfahrung, in der sich die Feiernden die „Denk- und Handlungsweise des Herrn“ aneignen, eine Umkehr ihres Lebens.

Kontinuierliche Fortbildung des Klerus erwünscht

Damit die Liturgie diese bildende und verwandelnde Funktion erfüllen könne, müssen sowohl Priester als auch Laien in der Bedeutung der Liturgie und ihrer Symbolsprache „einschließlich der Kunst, des Gesangs und der Musik (...), auch der Stille“ durch Mystagogie hineingeführt werden. Sie „ist ein geeigneter Weg, um in das Mysterium der Liturgie einzudringen, die lebendige Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Mystagogie bedeutet, das neue Leben zu entdecken, das wir im Volk Gottes durch die Sakramente empfangen haben“. Daher bedürfe es eine „kontinuierliche(n) Fortbildung des Klerus und der Laien (...), besonders derjenigen, die in Ämtern des liturgischen Dienstes engagiert sind. Ausbildung: nicht nur einmal, sondern kontinuierlich. (...) Denn die Liturgie ist der Königsweg, den das christliche Leben in jeder Phase seines Wachstums geht.“

aus: Gottesdienst Liturgischen Institute Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Nr. 9/2019, S. 108.

In der Einleitung zur Reihe „unser Gottesdienst“ hatte ich geschrieben:

„Beten mit der Kirche heißt aber auch, die Gestaltungsmöglichkeiten auszunutzen und dadurch „nicht immer das Gleiche“ zu feiern. Und es heißt zuletzt auch sorgsam damit umzugehen, wo man als Theologe und Liturge dem Geist Raum gibt und in freier Entscheidung einen eigenen Akzent setzt.“

Nun sind wir so weit, dass ich näher auf solche Akzente eingehen möchte. Vom gebrochenen Brot war zuletzt die Rede. Das Messbuch schreibt in einer „Soll-Formulierung“. Für diese bin ich immer dankbar. Sie weist eine klare Richtung, wie etwas geschehen oder sein soll, sie lässt aber mehr Raum, als wenn da ein MUSS stehen würde. Zugegeben nutze ich das relativ oft, heute vielleicht nicht mehr ganz so sehr wie in jungen Jahren.

Das Brot für die Eucharistiefeier soll in einer Schale dargebracht werden, damit das Zeichen des einen, geteilten Brotes für alle deutlich wird. Nach der Kommunion heißt es nur, dass sich Priester oder Diakon um die Reinigung der Gefäße kümmern – an der Altarseite, am Gabentisch oder gleich erst nach der Messe an letzterem.

Hier wird klar: Bereitung der Gaben, Eucharistisches Gebet und Kommunion sind das Eigentliche – die Reinigung der Gefäße ist zwar etwas sorgsam zu Machendes, aber bei weitem nichts „Liturgisches“. Nun wissen Sie auch, warum ich quasi immer (Ausnahmen haben einen meist ganz praktischen Grund und sind äußerst selten) am Gabentisch und in der Regel nach der Messe Schale und Kelch reinige. Etwas profan ausgedrückt: wenn einem häuslichen Mahl ein Gespräch oder Ähnliches am Tisch vorausgeht, tische ich zwar sorgsam auf und esse, aber ich spüle nicht vor den Augen der Gäste ab, sondern trage wieder ab und mache das hinterher.

Von Reinigen war oben die Rede – nichts steht da von einem Tabernakel, so wenig wie vorher drin steht, dass man zur Kommunion Hostien aus dem Tabernakel holt! Denken wir noch einmal, was der sinnfälligste Ausdruck der Feier ist, das Brotbrechen, dann wir klar warum: eigentlich sollte (!) in jeder Eucharistiefeier immer nur jenes Brot Verwendung finden, über das die konkrete Gemeinde den Heiligen Geist im Gedenken an die Selbsthingabe Jesu herabgerufen hat. Daher sollte eigentlich nicht mehr und nicht weniger Hostienbrot verwendet werden, als die konkrete Gemeinde dafür braucht. DAS wäre ideal.

Dagegen spricht eine eingeschliffene Tradition, die im Tabernakel eben nicht nur die Aufbewahrung für Kranken- oder Sterbekommunion oder die Anbetung kennt, sondern auch den Ort, an den „überschüssige“ Hostien sicher und würdig verbracht werden – und aus dem sie bei nächster Feier auch wiedergeholt und verwendet werden. Und das ist zugegeben auch etwas ganz Praktisches. Was nicht heißt, dass wir um der Zeichenhaftigkeit willen diese Praxis nicht einmal überdenken könnten …

Vom Großen Gebet über Brot und Wein (Hochgebet) war bereits die Rede. Die frühe Kirche kannte noch keine strikte Vorlage. Aufbau und Inhalt waren: lobpreisendes Gedächtnis der Heilstaten des Schöpfers und des Erlösers, einmündend in das Gedächtnis des Letzten Abendmahles mit den Deuteworten über die Gaben, Bitte um den Heiligen Geist, der Gaben, Kirche, Welt „wandeln“ möge und die Kirche auf Erden mit der Kirche des Himmels verbindet. Früheste Formen finden sich bereits am Ende des ersten bzw. am Beginn des dritten Jahrhunderts (Wer bei Wikipedia nachschauen möchte: Didache und Traditio Apostolica). Diese Gebete waren als Orientierung, nicht als Vorschrift gedacht. Bis zur Kirchenspaltung mit der Ostkirche (1054 n. Chr.) war die Gesamtkirche reich an solchen Gebeten, aber schon vorher schälte sich in der Orthodoxen Liturgie die Formulierung des hl. Johannes Chrysostomos heraus, in der Westkirche wurde – wie so oft – der Brauch der Ortskirche von Rom tonangebend. Nach der Reformation durfte in der Westkirche nur noch der „Römische Kanon“ (mit ganz wenigen Ausnahmen) verwendet werden, ja die ganze Liturgie war bis ins Detail einheitlich. So blieb es bis zum Messbuch nach dem Vatikanum II. In diesem wurden nun wieder drei weitere Hochgebete offiziell erlaubt: Der römische Kanon wurde vor allem bei den Gesten vereinfacht, blieb aber im Text nahezu gleich (Erstes Hoch-gebet), das Zweite wurde der altehrwürdigen Traditio Apostolica aus dem Dritten Jahrhundert nachempfunden, das Dritte versuchte eine Neuformulierung, die Motive des Römischen Hochgebetes aufgriff, das Vierte orientierte sich an den Formulierungen ostkirchlicher Gebete. Diese vier stehen bis heute im Messbuch. Für den deutschen Sprachraum (und teils auch darüber hinaus) entstanden in der Folge noch ein „Hochgebet für Versöhnung“, drei Hochgebete für Feiern mit Kindern, eines in einfacher Sprache für Feiern mit Menschen mit Behinderung bzw. Hörgeschädigten und schließlich ein Hochgebet aus der Schweiz, dass in vier motivischen Ausprä-gungen gestaltet ist. Diese finden sich in Ergänzungsbänden zum Messbuch.

Die vier Hochgebet des Messbuches sind im Original in Latein verfasst und wurden für die deutsche Ausgabe übersetzt. Nun wissen wir alle, dass es mit Übersetzungen so eine Sache ist – und während ich mich grundsätzlich an die deutsche Vorgabe halte, grase ich doch in zwei Dingen aus.

In einem früheren Teil dieser Reihe habe ich schon über die problematische Verwendung des Begriffes „Opfer“ geschrieben. Im Vierten Hochgebet z.B. benutzt das lateinische Original drei verschiedene Worte für den Begriff „Opfer“: sacrificium (Opferfeier), hostia (Opfergabe), oblatio (Dargebrachtes). Abgesehen davon, dass die deutsche Übersetzung nur zwei Begriffe verwendet, nämlich Opfer und Opfergabe, ist mir das tatsächlich zu viel „Opfer“. Ich greife den zweifach verwendeten Begriff Opfergabe auf und übersetze konsequent mit „Gabe“, für den letzten Begriff greife ich auf die „Darbringung“ zurück. Das beschreibt die eigentliche Handlung und das ist in diesem Fall die Gedächtnisfeier der Eucharistie. Über die zweite Umformulierung schreibe ich das nächste mal.

Vielleicht verfolgen Sie diese Reihe intensiv und haben sich gefragt, was ich das letzte mal gemeint haben könnte, als ich von einer Umformulierung im Hochgebet gesprochen habe. Vielleicht ist Ihnen dabei das Markanteste ein- oder aufgefallen: ich lasse bei den Einsetzungsworten das altertümliche „e“ aus (NehmEt und essEt) weg, aber das ist es nicht. Für diese Formulierung sieht das Messbuch nämlich, genau wie bei „LassEt uns beten“, die Auswahl vor. Ich finde, wenn wir schon kein Latein mehr nehmen, dann soll auch das Deutsch unserem Sprachgebrauch entsprechen.

Also, was mach ich dann tatsächlich richtig anders? Wieder komme ich zum lateinischen Original zurück, das nicht unbedingt korrekt übersetzt wurde. Mir geht es dabei nicht um Besserwisserei, sondern um ein Kirchenbild, das weit mehr der Vorgabe des Konzils und der Entwicklung seither entspricht. Im Hochgebet wird für die Kirche und deren Einheit gebetet, denn kein Priester, kein einzelner Gläubiger und kein Bischof (auch nicht der Papst) kann für sich in Anspruch nehmen, „Kirche“ zu sein. Erst im Mit- und Zueinander – und nicht im Über-/Unter- oder gar Gegeneinander! – entsteht Kirche. Die Ämter in der Kirche sind Dienst-Ämter für die Kirche, nicht hervorgehobene Posten. Natürlich scheitert dieses Ideal oft an der Wirklichkeit, denn dummerweise sind wir alle Menschen. Das ändert aber nichts daran, dass das die wirkliche Gestalt der Kirche ist, nicht nur eine „theoretische“. Die Nennung von Papst als universalem Haupt und Bischof als ortskirchlichem Haupt der konkreten Kirche dieser Zeit, sowie die Anführung der Gemeinschaft der Amtsträger bezeichnet das Geheimnis der Kirche: Einheit in Vielfalt. Im Lateinischen hat man sich daher die Aufzählung der Weiheämter (Bischof, Priester, Diakon) gespart, denn genau das ist NICHT gemeint. Das Hochgebet I spricht nach Papst und Bischof sogar nur von „allen, die Sorge tragen für den rechten katholischen und apostolischen Glauben“. Das Hochgebet II nennt im Lateinischen nur „den ganzen Klerus“, die Hochgebete III und IV zuvor noch die Gemeinschaft der Bischöfe. Es geht nicht um eine Ämteraufzählung (darum meinen es zwar gut, haben aber nicht recht die Mitbrüder, die an dieser Stelle auch noch die Ordensleute und andere Dienste einfügen), sondern um die gleichzeitig eine und vielfältige Kirche. In der deutschen Übersetzung ist das missverständlich. Auch die Hochgebete für Versöhnung, Kinder und das erste der vier Schweizer Hochgebete übernehmen nicht die Aufzählung des sakramentalen Amtes. Daher formuliere ich durchgehend in allen Hochgebeten „für Papst, Bischof und die Gemeinschaft der Bischöfe, deine ganze Kirche in Einheit und Vielfalt.“

Diese Reihe soll Ihnen gemäß dem Auftrag der Kirche unseren Gottesdienst besser erschließen, aber auch erläutern, warum sie mit gespitzten Ohren Unterschiede zwischen den Zelebranten hören, hier in Roding und vielleicht auch (in den nächsten Wochen) unterwegs im Urlaub.

Die „Magna Charta“ unserer Liturgie, die Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils schreibt in Art. 50: „Der Meß-Ordo soll so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde. Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden. Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verloren gegangen ist, soll (...) nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden.“

Vergleicht man unsere heutige Messfeier mit dem alten Ritus, erkennt man, dass diese Anordnung vielfach umgesetzt wurde, in manchen Bereichen aber leider nur ungenügend. Vor allem in der Eucharistiefeier selbst bleibt vieles bedenkenswert. In ihrem Ursprung war die „Feier des Brotbrechens“ eine echte Einheit: Gebet über die Gaben, Brechen des Brotes, Kommunion. Wessen im Gebet erinnernd gedacht wurde, war unmittelbar sinnlich erfahrbar: Christus bricht für uns das Brot (und reicht sich im Wein). Heute finden sich dazwischen Elemente, die zum Teil sehr wortlastig sind, Intentionen mehrfach wiederholen und das eigentliche große Gebet als der Kommunion unmittelbar vorausgehend in den Hintergrund rücken lassen: Vaterunser mit Einschub, Friedensgebet, Friedensgruß und das Agnus Dei. Alle diese Elemente sind später (weniger glücklich?) eingefügt worden und stellen z.T. Doppelungen dar (s. Liturgiekonstitution oben).

Justin (2. Jhdt.) verortet den Friedensgruß noch am Ende des Wortgottesdienstes (Fürbitten/Allgemeines Gebet), als Brücke zur Gabenbereitung. Dort ist er bis heute in den Liturgien der Kirchen des Ostens angesiedelt (vgl. Mt 5,23f). In der Westkirche wandert der Friedensgruß vom Ende des Allgemeinen Gebetes zum Ende des Eucharistischen Hochgebetes. Auf das folgte (wohl wegen der Brotbitte) schon seit dem 1. Jahrhundert das gemeinsame Vaterunser, gewissermaßen als „Tischgebet“ vor der Kommunion. Bis dahin war das Vaterunser eigentlich das persönliche oder gemeinschaftliche Gebet für die Gebetszeiten des Tages und der Woche gewesen. In der Abfolge des Brotbrechens war es tatsächlich eine „Doppelung“, ein nicht unbedingt glücklicher Einschub.

In der Westkirche wurde dem Friedensgruß ein Stillgebet des Priesters vorangestellt, der Friedensgruß erfolgte nur noch zwischen den Klerikern, später wurde er durch den Kuss der „Pax-Tafel“ ersetzt, die man dann auch der Gemeinde reichte (meist sogar als „Ersatzkommunion“). Im heutigen Ritus hat man das Gebet nicht gestrichen, sondern es wird als Gebetsaufforderung an die Gemeinde nun laut gesprochen. Die zweite Aufforderung schon nach der zum Vaterunser. Dieses wird zudem ergänzt durch einen Einschub des Priesters (Embolismus – „Erlöse uns, Herr, ...“), eine weitere Erfindung aus den ersten Jahrhunderten, die meint – ich trau mich das jetzt mal so zu sagen – dass im Gebet des HERRN nicht schon alles gesagt ist, was wir nach dem Willen Jesu vor den Vater tragen sollen.

Gregor der Große hat erst im 6. Jhdt. den Platz des Vaterunsers (vom Kommuniongebet zum Einschub zwischen Hochgebet und Brotbrechen) verändert, wohl um ein Ausufern selbstformulierter Hochgebete sozusagen mit der Autorität des Herrengebetes einzudämmen. Das verschiebt nun auch den Friedensgruß noch einmal. (Zwischen Vaterunser und Brotbrechen). Im vorkonziliaren Ritus rutscht er schließlich unmittelbar vor die Kommunion (der Kleriker), auch weil das „Agnus Dei“ mit der Bitte um den Frieden schließt.

Im Messbuch, dass 1988 für die Diözesen Zaires von Rom genehmigt wurde, ist der Friedensgruß wieder an seinem ursprünglichen Platz, am Ende der Fürbitten, wodurch der Teil zwischen Hochgebet und Kommunion um einiges entzerrt ist. Und weder in der Tradition der Ostkirche, noch der reformatorischen Westkirche ist der „Embolismus“ des Vaterunsers beheimatet. Im Vergleich zur vorkonziliaren Fassung ist er zwar auch bei uns um einiges gekürzt. Ich bete ihn dennoch nicht mehr automatisch. Vor allem wenn die Motive des Wortgottesdienstes oder der Kirchenjahreszeit (Erlösung, Wiederkunft des Herrn) oder die Gebetsschwerpunkte der Werktagsgottesdienste ihn nahe legen, füge ich ihn ein, ansonsten lasse ich ihn mit Blick auf die Entwicklungsgeschichte und auch auf die Ökumene öfters weg.

Auch das „Agnus Dei“ (Lamm Gottes) als Litanei, die das Brotbrechen begleitet, wurde erst im 7. Jahrhundert aus der Ostkirche übernommen. Ursprünglich war die Gebetsrichtung im Eucharistischen Hochgebet ganz jesuanisch: Wir beten zum Vater durch den Sohn im Heiligen Geist, nicht zum Sohn. Auch diese Einheit wurde mit den Einschüben (Friedensgebet und Agnus Dei) aufgebrochen, allerdings ist Letzteres durch die Abstraktion („Lamm Gottes“) und als lediglicher Begleitgesang weniger störend. Umgekehrt ist dieser Gesang durch seine Wiederholungen bestens geeignet um etwas Wesentliches zu tun, wofür wir uns tatsächlich Zeit nehmen sollen, nämlich das eine Brot für alle zu brechen.

Ich muss zugeben, dass es mir wichtig ist, zu verstehen, was ich tue, wenn ich Liturgie feiere. Der Sinn eines Ritus ist es aber nicht, währenddessen beständig darüber nachzudenken. Gerade deswegen setze ich mich gerne in der Lektüre, im Nachsinnen und auch im Schreiben dieser Zeilen intensiv damit auseinander, um beiden Bedürfnissen entgegenzukommen: dem Verstehen und dem schlichten und schönen Vollzug. Denn dazu braucht es ja ein Ritual im Kleinen wie einen Ritus im Großen: um dem Sinn eine Form zu geben, Halt und Sicherheit im Leben des Einzelnen und Gemeinschaftsstiftendes für eine Gruppe von Menschen. Darum gibt es die Langeweile, die aus der inneren Unruhe kommt, nur dann, wenn wir uns mit dem Ritus nicht auseinandergesetzt haben oder wenn wir uns nicht in den Ritus „fallen lassen“. Natürlich erwarte ich das nicht von Kindern, obwohl sie manchmal ein weitaus untrüglicheres Gespür dafür haben, wenn etwas wirklich „langweilig“ ist. Umso wichtiger ist es mir, dass Kinder nicht gemaßregelt, sondern an die Hand genommen werden. Sie sollen spüren: Auch wenn ich nicht alles verstehe oder mag, fühle ich mich hier, bei Gott, in der Gemeinde zu Hause.

Auch Erwachsene gehen einen Glaubensweg, auch sie lernen im Laufe des Lebens einen Ritus noch einmal ganz anders zu schätzen. Das Schöne an unserer Feier ist dabei, dass sie Herz UND Verstand anspricht, letzteren vor allem über die stets wechselnden Gebete, Lesungen und natürlich auch Lieder. Unser Glaube ist nicht „unlogisch“ oder altmodisch. Er bedient sich freilich der Formensprache von tausenden von Jahren. Wenn ich immer „aktuell“ sein wollte, müsste ich alle paar Jahre die liturgischen Bücher überarbeiten, die Bibel neu übersetzen, Lieder am Fließband produzieren. Was unsere Vorfahren zur Verdeutlichung des Glaubens in je ihrer Generation beigetragen haben, ist für uns wie die Ackerkrume von Jahrhunderten. Wir können froh sein, dass wir nicht an der Oberfläche wurzeln, sondern in die Tiefe gehen können: Sie gibt uns Halt und Nahrung.

In diesem Sinne wird „Unser Gottesdienst“ wohl noch ein paar Teile sehen...

„Die Eröffnung der Messfeier in Theorie und Praxis unter besonderer Berücksichtigung kirchenmusikalischer Aspekte.“ So lautete der Titel meiner Diplomarbeit vor mittlerweile 25 Jahren! Darüber habe ich damals 50 Seiten geschrieben – da können Sie mal froh sein, wie kurz ich mich hier fasse!

In den Ferien bin ich wieder zu einiger Lektüre gekommen und habe dabei einen Aufsatz von meinem Kollegen Werner Eizinger im „Anzeiger für die Seelsorge“ gelesen. Das ehrliche Bekenntnis eines Ehepaares „gesetzten Alters“, das Schuldbekenntnis am Beginn der Messe nicht jedes Mal mitbeten zu können, haben ihn angeregt, über dieses Element des Gottesdienstes nachzudenken.

Im westkirchlichen Beten ist es – in Stundengebet und Beichte – seit dem neunten Jahrhundert bezeugt, in der Messe erst seit dem elften. Biblisch sind Umkehr und Vergebung Kernthemen der Predigt Jesu, allerdings geht es ihm um eine grundsätzliche Lebenswende, wenn auch wiederholbar, und nicht um institutionalisierte Selbstanklage. Wer täglich (im Stundegebet) oder mehrmals wöchentlich (in der Messe) bekennt, dass er „Schuld, Schuld“, ja „große Schuld“ auf sich geladen hat, entleert entweder den Satz, lügt (beinahe hoffentlich!) oder entwickelt eine Neurose.

Wie wir schon desöfteren bemerkt haben: Zwar hat das Konzil Mut gemacht, zu durchforsten, was sich in Jahrhunderten „angesammelt“ hat, doch gelungen ist das nicht immer. Nun geht es mir nicht darum, alle zu fröhlichen Nicht-Sündern zu ernennen – am wenigsten mich selbst. Jedoch sollte auch ein Element wie das Allgemeine Schuldbekenntnis mit Bedacht und akzentuiert gebraucht werden, dann hat es auch Kraft.

Das Messbuch selbst sieht drei Varianten vor: Das Confiteor („Ich bekenne...“), einen „Vergebungsdialog“ („Erbarme dich, Herr, unser Gott, ...“) oder die Kyrierufe. Die ersten beiden Varianten können durch ein Bußlied ersetzt werden, die Vergebungsbitte kann entfallen, wenn das Tagesgebet eine solche enthält, insgesamt kann der Ritus durch ein (sonntägliches) Taufgedächtnis ersetzt werden oder sogar ganz entfallen, „... wenn eine besondere Festlichkeit des Gottes-dienstes dies nahe legt.“ (FdG Rubrik im Messbuch). Dies trifft sicher auf alle Feiertage, besonders die Oster- und Weihnachtszeit zu, aber auch auf den Sonntag selbst, der ja nach SC 106 „erster und vornehmster Festtag“ ist.

Nach diesen Vorgaben bete ich das Allgemeine Schuldbekenntnis selten, aber dann mit Bedacht: im Blick auf die besondere Kirchenjahreszeit (Advent, Fasten, Quatember), die Eigentexte und Lesungen der jeweiligen Messfeier oder auch entsprechend einem kirchlichen oder gesellschaftlichen Anlass.

Wenn man das Christentum an einem Zeichen erkennt, dann ist es das Kreuz. Allerdings hat dieses Zeichen viele Wandlungen mitgemacht, das liegt schon daran, dass die Kreuzigung selbst vielgestaltig sein konnte. (So ist der Hl. Andreas an einem X-förmigen Kreuz gestorben, sein Bruder Petrus auf dem Kopf stehend.) Wenn auch Paulus die Gemeinde daran erinnert, dass man sich des Kreuzes Christi nicht schämen soll (1 Kor 1,18 ff), so wird es doch nicht „offensiv“ genutzt, wenigstens solange es noch als Folter- und Todeswerkzeug in Gebrauch war. In der Spätantike wird es dann als Schmuck-Kreuz dargestellt, in der Romanik beginnt man auch den Herrn am Kreuz darzustellen, allerdings als „Sieger“, „König“ am Kreuz. Erst nach der Jahrtausendwende kommt es zu einem Wandel und das Leiden des Herrn wird gerade am und durch das Kreuz sichtbar.

Freilich kam das Kreuz als Zeichen anderswo schon früher in Gebrauch, nämlich in Form des kleines Kreuzzeichens, wie wir es heute noch vor dem Evangelium auf Stirn, Mund und Brust zeichnen. Mit dem Kreuz als Segensgestus kam dann das sogenannte große Kreuzzeichen auf, das wir in der Liturgie und eigentlich jedem Gebet zu Beginn und am Ende machen. („Im Namen des Vaters...“).

Gerade weil das Zeichen so kostbar ist, wurde es in der erneuerten Liturgie deutlich reduziert. Natürlich kann man – z.B. mit der Ostkirche – das wiederholte Kreuzzeichen als ein starkes Element betrachten, es sagt aber auch etwas aus, wenn es mit Bedacht verwendet wird.

Die x-fachen Segensgesten des vorkonziliaren Ritus, bei denen man durcheinanderkommen konnte, was jetzt der „eigentliche“ oder „wesentliche“ Gestus ist, wurde deutlich reduziert. Das Kreuz wird (mit Ausnahme des Ersten Hochgebetes, wo noch ein paar Spuren verblieben sind) nur noch einmal über die Eucharistischen Gaben geschlagen, nämlich vor der Wandlung, bei der Herabrufung des Heiligen Geistes. Der Weihrauch kann gesegnet werden, ebenso jeder, der zu einem besonderen Dienst beauftragt wird (z. B. ein spontaner Kommunionhelfer), allen voran der Diakon vor der Verkündigung des Evangeliums. Der Priester bekreuzigt sich nur am Anfang, am Ende erteilt er den Segen. Weggefallen ist das Kreuz bei der Vergebungsbitte, denn es stammte aus der Beichte – und mit der sakramentalen Vergebung sollte das Schuldbekenntnis der Messe auf keinen Fall verwechselt werden! Niemals vorgesehen war es – offiziell – bei der Wandlung und der Erhebung der Gaben. Hier hinein ist es im ausgehenden Mittelalter gerutscht, als man anstelle der eigentlichen Kommunion nur noch „geschaut“ hat und Liturgien außerhalb der Messe entstanden, in denen das Allerheiligste verehrt und man tatsächlich mit ihm gesegnet wurde – so wie es heute auch noch der Fall ist. Die Messe lädt natürlich auch zu Anbetung ein, der Segen – und damit das Kreuzzeichen – sind aber an das Ende gesetzt.

In welcher Haltung feiern wir Gottesdienst? Nun, über die innere Haltung – Aufmerksamkeit, Offenheit, Frömmigkeit – könnte man zwar auch nachdenken, jedoch geht es mir diesmal um den äußeren Ausdruck. Als Haltung fallen uns zunächst Stehen, Knien, Sitzen und vielleicht auch Gehen ein.

Die ursprüngliche Haltung war natürlich das Sitzen und Stehen. Je größer die Versammlung und der Raum, je deutlicher die Gestaltung der Versammlung als Liturgie wurde, umso mehr gewann das Stehen an Bedeutung. Schon in der Offenbarung des Johannes stehen die Heiligen vor Gottes Thron – sie sitzen, sie knien aber auch nicht. Das Knien als Geste der Demut und der Anbetung kam erst mit einem veränderten Verständnis von der Feier der Eucharistie im Mittelalter „in Mode“. Die Sitzbänke verdanken wir der Reformation. Diese legte ja großen Wert auf die Wortverkündigung – und der folgte man aufmerksamer und entspannter im Sitzen. Das gefiel bald auch den Katholiken, wobei in vielen alten Kirchen bis heute keine Bänke, sondern allenfalls Stühle sind und auch altes Gestühl bei uns eher eine Stütze für – sagen wir es mal so - weniger anstrengendes Knien ist.

Während es nach wie vor üblich – aber nicht vorgeschrieben - ist, nach dem Heilig, dem Brotbrechen und der persönlichen Kommunion zu knien, ist die Alternative Sitzen an dieser Stelle eigentlich nur für Gebrechliche und ältere Menschen gedacht. Auch bei uns hat sich aber das Sitzen als Haltung der Aufmerksamkeit bei den Lesungen und der Predigt und als „Pause“ während der Gabenbereitung und nach der Kommunion seit langem eingebürgert. Die eigentliche Haltung freilich bliebe das Stehen. „Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen.“ (Hochgebet II) Es ist Beten „im Verweilen und in Bereitschaft“ gleichermaßen, es versetzt uns in eine unverkrampfte Spannung und ist daher der beste Ausdruck für den Dialog der Gemeinde mit dem Herrn. (Persönliches Beten mag eine andere Haltung bevorzugen!)

Zu dieser Spannung gehört übrigens auch das Falten der Hände. Den Ministranten (leider mit oft mäßigem Erfolge, ich bin kein Schulmeister!) sage ich immer:

Nicht unterm Bauch – das ist keine Spannung, keine Haltung. Es drückt Langeweile und Teilnahmslosigkeit aus. Nicht auf Brusthöhe – das kann verkrampft, angespannt wirken und überträgt sich auf den Leib und den Geist.

Die Hände gehören – außer wenn sie das Gebetbuch halten – in-/aneinander gelegt bzw. verschränkt, egal in welcher Weise, ca. über der Höhe des Bauchnabels. Das ist die Mitte zwischen An- und Entspannung. Dort befindet sich der Solarplexus, nach dem Gehirn die dichteste Nervenansammlung in unserem Leib. Das Christentum ist eine Religion für Gefühl und Verstand – das erfordert Haltung!

Das Thema „Haltung“ verdient noch ein zweites Kapitel. Von der Händehaltung war ja schon zuletzt die Rede – aber warum falten wir eigentliche die Hände? und warum öffnet sie der Zelebrant? Und warum macht er das –oder machen die das nicht immer gleich?

Die sogenannte „Orantenhaltung“, also die Gebetshaltung kennt man aus dem nichtchristlichen Altertum. Sie wird einszueins in der Spätantike von den Christen übernommen. Das sehen wir an zahllosen Darstellungen auf Sarkophagen und in Katakomben. Man betend stehend mit erhobenen Händen in eine Richtung. Für Christen war das sehr bald der Osten, zur aufgehenden Sonne hin. Das tat die ganze Versammlung, an ihrer Spitze der Geistliche, der sich zum Segen, zur Verkündigung und anfangs auch noch zur Eucharistiefeier der Gemeinde zuwandte. Letzteres kam ab, als der Altar (s. diese Reihe weiter oben) von der Mitte weg hin an die Ostwand rückte.

Warum aber verlernte die Gemeinde die Orantenhaltung? Dafür gibt es zwei Gründe. Zum Einen wurde aus der Verneigung beim Stehen ein Knien, was die ganze Haltung natürlich veränderte. Zum Anderen wurde die traditionelle römische Liturgie von germanischen Einflüssen überformt. Hier war es üblich als Geste der Unterordnung die gefalteten Hände in die Hände des Fürsten zu legen, ein Ritus, der heute noch bei der Weihe zwischen Kandidat und Bischof geschieht! Man faltete die Hände nun auch in der Liturgie als Geste der Überantwortung an den HERRN. Das tat nunmehr auch der Vorsteher und breitete die Hände nur noch bei bestimmten Gelegenheiten aus, nämlich immer dann, wenn er das Gemeindegebet vor Gott trug. So ist es im Wesentlichen bis heute geblieben.

Wie ausladend die Geste des Priesters ist, ist allerdings nicht vorgeschrieben. In Reminiszenz an den Ursprung nehme ich z.B. beim Tagesgebet am Anfang der Messe die klassische Orantenhaltung ein, auch wenn ich der Gemeinde gegenüberstehe. Die Klammer – auch in der Gebetshaltung – bildet für mich das Schlussgebet der Messe. Beim Gabengebet und beim Vaterunser nehme ich die Geste eher sparsam, vor allem, weil ich sie zum „Hochgebet“ der Messe, dem zentralen Gebet der Eucharistiefeier absetzen möchte.

Verschiedentlich sieht man bei Gottesdiensten aus anderen Kulturkreisen, dass die Gemeindemitglieder die Hände öffnen oder auch nach oben halten. Es gibt meines Wissens kein „Verbot“, das sagen würde, dass nur der Priester die Hände ausbreiten darf. Wenn Sie es einmal ausprobieren wollen...?

Bei den Haltungen wurde eine stiefmütterlich behandelt, die aber –manchmal ganz selbstverständlich – dazu gehört, nämlich das Gehen oder Schreiten. Am sinnfälligsten ist natürlich der Ein- oder Auszug des liturgischen Dienstes, zumal, wenn er „groß“ also aus der Gemeinde heraus geschieht. Aber auch ein Gutteil der Gemeinde kennt eine Prozession, nämlich die zur Kommunion. Es ist durchaus bedenkenswert, in welcher Haltung ich mich zum Kommunionempfang begebe und wie ich wieder auf den Platz gehe!

Bei den Sakramenten Taufe, Erst-Eucharistie und Ehe holt der Geistliche die Mitfeiernden an der Tür ab und zieht mit ihnen gemeinsam ein. Und neben Bittgängen, die eher einen Wallfahrtscharakter haben, darf natürlich DIE Prozession des Jahres nicht fehlen: Fronleichnam. In Trasching gibt es einen Erntedankzug, St. Martin wird mit einer Lichterprozession gefeiert. Als Kind haben wir auch zu Mariä Lichtmess noch einen Stationsgottesdienst am Pfarrheim gehalten und sind dann mit brennenden Kerzen ins Gotteshaus gezogen. In der Osternacht sollte eigentlich die ganze Gemeinde um das Feuer versammelt sein und dann mit brennenden Kerzen in die Kirche einziehen, der Priester mit der Osterkerze und dem Ruf „Lumen Christi – Christus, das Licht!“ voran. All das „sparen“ wir uns inzwischen, weil es zu umständlich erscheint. Praktisch sag ich: versteh ich, liturgisch sag ich: schade.

Eine Prozession findet manchmal statt, die eigentlich in jede (Sonntags-)Messe gehört, nämlich die Gabenprozession. In der Frühzeit der Christen hat die Gemeinde allerhand Gaben mitgebracht: Essen für das anschließende Sättigungsmahl, Nahrungsmittel für die Bedürftigen, die im Laufe der Woche an die Tür der Gemeinde klopfen und zuletzt natürlich Brot und Wein für die Eucharistie. Eigentlich sollte der Bereitungstisch immer noch hinten stehen. An Stelle der Nahrungsmittel wird dann zunächst die Geldkollekte eingesammelt, mit der die Gemeinde finanziert wird und sozial wirken soll. Wenn die Körbchen durchgegangen sind, sollten Mitglieder der Gemeinde, die in der Nähe des Tisches sitzen, vielleicht auch Menschen, die die Messe an diesem Tag haben aufschreiben lassen, die Kollekte, Brot und Wein bringen. Die Ministranten tragen dann von der Kredenz den Kelch und das Wasser zu. Manchmal sieht man auch, dass mit einem kleinen Löffel oder einer flachen Zange erst einmal alle beim betreten eine Hostie aus einem Körbchen in die Schale geben, die auch zur Kommunion gehen wollen. So wird in dieser Feier auch nur Brot aus eben dieser Feier gereicht – allerdings sage ich dann wieder: mir fehlt das Brotbrechen.

Die Idee umzusetzen, bringt vermutlich alle ins Schwitzen, die das Einsammeln der Kollekte als zusätzliche Zeit empfinden oder die ind er Nähe des Tisches sitzen und befürchten, nach vorne gehen zu müssen. Praktisch sag ich daher: versteh ich, liturgisch sag ich: schade.

Zum Gottesdienst – und es ist hier fast ausschließlich von der Messe die Rede – gehört natürlich noch viel mehr. Den geschichtlichen Werdegang, vieles vom eucharistischen Teil der Messe oder von einzelnen Elementen wie dem Beginn oder der Gabenbereitung wurde bereits bedacht – natürlich nicht alles. Der Wortgottesdienst verdient ebenso noch eine Betrachtung, obwohl er im Laufe der Jahre hier im Pfarrbrief im „Wort an Sie“ schon Thema war, genauso wie die Kirchenmusik. Bevor wir diese Kapitel noch einmal aufschlagen, soll aber von Ordnungsrahmen die Rede sein, die wesentlich die letzten beiden Element beeinflussen, nämlich das Kirchenjahr und die Leseordnung.

Das Kirchenjahr speist sich sicher zunächst einmal aus dem Kreis des natürlichen Jahres selbst. Die Jahreszeiten, wechselndes Wachsen des Lichtes zum Sommer und der Dunkelheit zum Winter hin, Saat und Ernte, Werden und Vergehen. Es dürfte wohl so gut wie keine Religion geben, die nicht ursprünglich von diesem „Motor“ angetrieben wurde. Auch unsere Mutterreligion, das Judentum feiert ihre Feste zur Saat (Pessach)und zur Ernte (Schawout, Sukkot) oder in die dunklen Monate (Chanukka), auch wenn sie biblisch zum Teil nicht direkt mit dem Jahreslauf sondern mit der Heilsgeschichte begründet werden. Durch den Lunisolarkalender (Die Zählung geht nach Monden, also Mondmonaten, wird aber durch Schalttage und –jahre an das Sonnenjahr angepasst) bleiben die Feste auch relativ zur Jahreszeit.

Der Islam dagegen hat einen reinen Lunarkalender, so dass sich zum Beispiel der Ramadan jährlich um 11 Tage verschiebt. Damit hebt sich diese Religion von vielen anderen ab!

Das Christentum ist ein „Zwischending“. Vom Judentum haben wir den höchsten Feiertag Pessach (Ostern) geerbt und mit ihm das Fest des fünfzigsten Tages, Schawuot (Pfingsten). Der Weihnachtsfestkreis dagegen orientiert sich an heidnischen Festtagen (Wintersonnenwende), ebenso einzelne Feste wie z. B. Kathedra Petri am 22. Februar (römisches Totengedenken). Nebenbemerkung: eine Verbindung des keltischen Samhain mit Allerheiligen (Halloween) ist eine spätere Konstruktion.

Das Jahr nun bestimmt bei uns das Kirchenjahr: Es beginnt mit dem ersten Advent (Frühestens der 27.11., spätestens der 3.12.) und endet mit dem Samstag nach Christkönig (entsprechend 26.11. bzw. 2.12.). Der Weihnachtsfestkreis schließt mit dem Sonntag nach Dreikönig, dem Fest „Taufe des Herrn“ (Zwischen dem 7. und dem 13.1.), danach wird die „Zeit im Jahrekreis“ gefeiert. Unterbrochen wir diese vom Osterfestkreis, der sich nach dem Datum des Osterfestes richtet, dem Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond und damit irgendwann zwischen dem 22. März und dem 25. April.

Das Kirchenjahr hat einen großen Einfluss darauf, wie wir feiern. Das augenfälligsten Merkmal ist sicher die Farbe der liturgischen Gewänder. Sie haben sich zunächst aus dem Alltagsgewand und der Amtstracht der Antike und dann ein Eigenleben entwickelt.

Die Stola (gallisch für „Gewand“) ist schon im 4. Jahrhundert als „Amtstracht“ bezeugt und ist dem Diakon (schräg über die linke Schulter), dem Priester und dem Bischof (gerade über den Nacken) vorbehalten. Sie hat viele Moden mitgemacht, ebenso wie die Kasel, der Überwurf des Priesters. Dieser „Poncho“ war ein Allerweltsgewand. Erst mit der „Hosenmode“ der Germanen wurde es zum exklusiven Kleidungsstück der Kleriker. Nachdem sie nicht mehr – ihr ursprünglicher Zweck - vor dem Wetter schützen musste, konnte sie kostbar geschneidert und bestickt werden. Je höher die Arme des Priesters im Mittelalter wanderten, umso unpraktischer wurde ihre Weite, weswegen sie im Barock schließlich seitlich an der Schulter endete und den landläufigen Spitznamen „Bassgeige“ bekam. Mit der Reform der Liturgie durch das Zweite Vaticanum erhielt sie ihre ursprüngliche Gestalt zurück. Noch etwas lässt mich persönlich die „Bassgeige“ nicht mehr gern anziehen: sie steht auch in ihrer Gestaltung für eine andere Feierform, denn die reicher bestickte und längere Seite ist der Rücken – ich zelebriere aber nicht mehr mit dem Rücken zur Gemeinde! Abgesehen davon ist sie recht starr, nicht nur beim Stehen, sondern auch beim Sitzen (was in der alten Liturgie auch nicht vorkam). Weggefallen ist auch ein „Schnupf-Schweißtuch“, das „Manipel“, das über dem Handgelenk getragen wurde und seit Jahrhunderten nicht mehr seinem eigentlichen Zweck diente.

Der Vollständigkeit halber: alle liturgischen Dienste dürfen die Albe, das weiße Grundgewand tragen. Sie erinnert uns an die gemeinsame Berufung aus der Taufe. Am Brünnl, im Krankenhaus und im Altenheim tragen auch die Minis dieses Gewand, genauso die Erstkommunionkinder. Die Alltagsamtstracht ist der Talar (auf der Straße: die Soutane) in schwarz. Der weiße, hüftlange Chorrock ist eigentlich eine geschrumpfte Albe und wir daher auch nur in der Liturgie über dem Talar getragen – das ist auch das liturgische Gewand unserer Minis, die sich den Luxus leisten, auch noch die Varianten Grün, Violett und Rot im Programm zu haben, sogar mit einem Schulterüberwurf (Mozetta). ICH darf das nicht: Violett und Rot wären für mich Amtsanmaßung ...

Die Liturgischen Gewänder müssen noch kurz ergänzt werden, denn über Talar/Chorrock oder Albe kann man für nicht-eucharistische Liturgien auch noch den „Rauchmantel“ (Pluviale) tragen. Das kennen wir vor allem bei Beerdigungen, Prozessionen, Andachten oder auch bei einer Taufe. Der Diakon trägt an Stelle der Kasel eine Dalmatik, grob gesagt: ein großes T-Shirt, so unterscheidet er sich neben der Haltung der Stola vom Priester. Zuletzt sei noch das unscheinbarste Kleidungsstück erwähnt, dessen Geheimnis nur Sakristeibesucher kennen: das Schultertuch. Es ist ein drei- oder viereckiges Stück Stoff mit zwei Bändern, das den Hals abschließt und für einen sauberen Kragenabschluss am Hals sorgt.

Im Laufe der Jahrhunderte bekam jedes Kleidungsstück auch noch eine spirituelle Bedeutung, so dass beim Ankleiden feste Gebete gesprochen werden mussten oder Zeichen der Ehrerbietung folgten. Auch hier hat die vom Konzil geforderte „Reduzierung und Einfachheit“ (s.o.) für eine Entzauberung gesorgt. Mancher Mitbruder bedauert das, wobei es ihm frei steht weiterhin dabei zu beten. Ich bin froh, dass es hier keine „Vorschrift“ mehr gibt, für mich ist das zu viel „Symbol“, wo es einfach um Praktisches geht.

Die ursprünglichen Farben waren weiß und verschiedene Intensivtöne von Purpur (Violett, Rot, Rosa), Grün kam erst im 8. Jahrhundert als Farbe des Jahreskreises auf. Überhaupt spielte bis ins Mittelalter eher die Kostbarkeit als die Farbe eine Rolle dabei, was Werktag und was Hochfest war. Als Farbe der Trauer hat sich neben Violett Schwarz eingebürgert, vor allem auch um Violett als Farbe des Advents und der Fastenzeit stärker zu akzentuieren. Blau wurde (ebenso wie Gelb) vom Trienter Konzil (1570) untersagt. Ersteres hat sich aber als Farbe für Marienfeste wieder eingeschlichen, eigentlich wird an solchen Tagen Weiß getragen.

Dieses ist die Grundfarbe für alle Feste im Jahr. Rot trägt man nur im Gedenken an den Heiligen Geist und an die Passion Christi, sowie bei Märtyrerfesten.

Ausgangspunkt für die Betrachtung der Farben und Gewänder war der Blick auf das Kirchenjahr. Dieses prägt natürlich nicht nur das Farbspiel, sondern auch die Feier der (Sonntags-)Messe überhaupt. So gab es seit der frühen Zeit der Kirche die Praxis, das große Jahresfest, Ostern, mit einer Vorbereitungszeit zu begehen. Eigentlich waren die 40 Tage (auf lateinisch Quadragesima) die engere Vorbereitung der Katechumenen auf die Taufe. Aus der Begleitung derselben durch die Gemeinde wurde eine Zeit des Taufgedenkens, der Umkehr und der Buße für alle Gläubigen. Das blieb sie auch, nachdem der Tauftermin nicht mehr exklusiv Ostern war und man begann, die Kinder christlicher Familien schon unmittelbar nach der Geburt zu taufen. Dem Charakter von Umkehr und Buße geschuldet ist heute der Wegfall des Gloria. Auch das Halleluja „fasten“ wir, um es mit Ostern wieder neu anzustimmen.

Als sich das Weihnachtsfest als zweiter großer Jahrtag entwickelte, das dürfte ungefähr 4. Jahrhundert gewesen sein, beging man auch dieses mit einer vorgeschalteten Fastenzeit. Auch sie dauerte ursprünglich 40 Tage. Rechnet man zurück, weiß man auch, warum an St. Martin noch einmal Gänse geschlachtet wurden bzw. am 11.11. der Fasching beginnt...

Geblieben sind von der Vorbereitungszeit nur noch vier Sonntage: der Advent. Er dauert – je nachdem was für ein Wochentag der 25.12. ist – 22 oder 27 Tage. Unser heutiges adventliches Brauchtum – der 24-Fenster-Kalender, der Adventskranz – ist nur gut 100 Jahre alt. Trotzdem schade, dass ihm das umtriebige „Dauer-Weihnachten“ ab Ende November ihm den Rang abläuft. Noch ältere Bräuche dagegen sind schon fast gänzlich vergessen. Wer weiß schon noch, dass wenigstens der Hl. Abend Fasttag war und man auch deswegen nach der Mette mit Genuss die „Mettenwürscht“ verzehrt hat. Mit meiner strikten Weigerung, vor Weihnachten Plätzchen zu essen bin ich ja eh ein Exot.

Der Advent hat aber auch liturgisch den Charakter der Fastenzeit nahezu verloren. Denn das Gloria lassen wir eigentlich weg, weil es ja dem Engelsgesang der Weih-Nacht vorbehalten ist. Geblieben ist eigentlich nur die liturgische Farbe: Violett.

Den Lesegottesdienst, der ebenfalls eine starke, kirchenjahreszeitliche Prägung hat, wollen wir in der Folge bedenken.

Wenn die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils etwas Einschneidendes gebracht hat, dann ist das neben dem Gebrauch der Volkssprache vor allem die Stellung des Wortes Gottes in der Messfeier. Dieser Entscheidung ging ein langer Prozess voraus, der bereits über 400 Jahre vorher einen entscheidenden Impuls bekommen hatte, nämlich in der Reformation. Natürlich hatten nicht nur die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte, sondern auch die späteren Theologen mit der Schrift argumentiert. Freilich war ihre Bedeutung in der Liturgie der West- genauso wie der Ostkirche stark in den Hintergrund getreten. Welchen Stellenwert sie übrigens am Anfang des Christentums liturgisch hatte, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Dennoch bezweifelt heute niemand, dass die ganze Heilige Schrift Maßstab für unseren Glauben ist, also sogenanntes Altes UND Neues Testament. Für viele Jahrhunderte war der Wortgottesdienst der Messe in der Römischen Kirche ein „Vorspiel“ zur eigentlichen Mess-, der Eucharistiefeier. Gelesen wurde eigentlich nur aus dem Neuen Testament. Es gab keinen Verkündigungsort (Ambo). Schrifttexte wurde „proklamiert“ – sie waren ja in Latein! auf der einen Seite des Altars das Evangelium (Evangelienseite), auf der anderen die nicht-evangelische Lesung (Epistelseite). Verständlich gesprochen, also gepredigt, wurde mit Hilfe der Kanzel.

Stemmte sich das Lehramt noch bis in die 40er Jahre gegen eine moderne Bibelauslegung, wie sie in der Evangelischen Kirche inzwischen üblich und auch von katholischen Theologen angesichts des wissenschaftlichen Fortschritts in Archäologie, Literaturgeschichte, Naturwissenschaft etc. längst gefordert wurde, so öffnete sich nun auch die Katholische Kirche: 1943 veröffentlichte Papst Pius XII. sein Lehrschreiben Divino afflante Spiritu. Diese „Enzyklika“ war Wegbereiter für eine neue Sicht auf die Bibel, wie sie schließlich auch liturgisch umgesetzt wurde.

Seitdem hören wir an Sonn- und Feiertagen vier Abschnitte aus der Heiligen Schrift: zwei Lesungen, einen „Antwort-)Psalm und ein Evangelium. Außer in der Osterzeit, wo als erste Lesung die Apostelgeschichte genommen wird, ist die erste Lesung immer aus dem Alten, die zweite aus dem Neuen Testament. Die Auswahl der ersten Lesung wird vom „inneren Dialog“ mit dem Evangelium bestimmt. Dieser ist manchmal klar und spannen, manchmal auch -  gelinde gesagt – an den Haare herbeigezogen, weswegen die Auswahl seit Einführung des Lesegottesdienstes immer wieder diskutiert wird, ähnliches gilt für den Bezug zum Antwortpsalm. Leichter tut man sich mit der zweiten Lesung, denn diese ist eine „Bahn-Lesung“. Das heißt, sie geht abschnittsweise durch die neutestamentliche Briefliteratur, in der Regel ohne Bezug zu den anderen Lesungen.

das gilt allerdings vor allem für die „Zeit im Jahrekreis“. In den geprägten Zeiten, also den Oster- und dem Weihnachtsfestkreis sind die Lesungen stärker ausgesucht und treten in einen spannenden Dialog. Das merke ich vor allem am Weihnachsfest.

Weihnachten, das werden wir in wenigen Wochen wieder hören, lebt biblisch-liturgisch von der „Erfüllung“ der Verheißung in Christus. Theologisch ist das nicht unumstritten, vor allem im Dialog mit dem Judentum, das zu recht auf  die Eigenständigkeit des Tanach (also ungefähr unseres „Alten Testamentes“) pocht. Die Liturgie freilich feiert ganz das Christusereignis. Für mich ist Weihnachten immer ein kleiner Exerzitienweg. Es gibt nämlich insgesamt vier Messformulare, die das Geheimnis der Weihnacht wunderbar zu meditieren einladen. Auch deswegen kann es keine „Mette light“ geben, auch wenn das Messbuch einen frühen zeitlichen Ansatz „aus pastoralen Gründen“ vorsieht. Der 24. Dezember ist am Morgen noch ganz im Advent verhaftet. Mit der „Messe am Heiligen Abend“ zur Abenddämmerung ist dagegen eine echte Brückenliturgie zur Weih-Nacht vorgesehen: die Farbe schon Weiß, aber noch kein Gloria. Das Evangelium: der Stammbaum Jesu, also der Beginn des Matthäusevangeliums. (Tags darauf wird es der Johannesprolog sein.) Auch die übrigen Lesungen sind Wegbereiter für die Nacht. Geistlich gesprochen: es ist verdichtete Vorbereitung für das, was wir in der Nacht feiern werden. Angebracht ist daher – die Mette ist ja die Matutin bzw. die nächtliche Vigil, ähnlich wie die Osternacht – die Verbindung mit der Vesper. Und – sehr zum Leidwesen mancher Mitfeiernder – es ist eben noch nicht „Stille Nacht“. Die Mette soll eigentlich um Mitternacht sein, aber da werd sogar ich bequem und bin froh, wenn wir um 22.00 Uhr beginnen. Dennoch ist sie für die Mitte der Nacht, also die Tagzeiten-Wende gedacht. Hier nun ist der Lesegottesdienst geprägt von den „Klassikern“, das Gloria darf wieder erklingen und – man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, wie die Kirche damit 1800 Jahre „ohne“ auskommen konnte – wir singen „Stille Nacht“. Emotional mag dies für viele der Höhepunkt sein, liturgisch aber sind wir erst bei der Hälfte, denn Weihnachten ist ja nicht am 24. sondern am 25. Dezember! Währen der Lesegottesdienst am Morgen („Hirtenamt“) vor allem das Evangelium der Nacht fortführt, wird uns am Tag die heils-theologische Dimension des Christus-Ereignisses, jenseits historischer Hirtenrealität vor Augen geführt: Im Anfang war das Wort (Joh 1).

Lange bevor die Menschheit gelernt hat Wörter in Schriftform festzuhalten und damit in eine neue Form der von Raum und Zeit unbegrenzten Kommunikation einzutreten, war es der für alle verständliche Laut selbst, der ihre Faszination ausmachte. Mit Sprache können wir Fernes herholen, Abstraktem eine Form geben, Vergangenes vergegenwärtigen, Zukünftiges beschreiben, Verstandenes und Gefühltes ausdrücken. Gerade in einer Zeit, die eine mediale Bildexplosion erlebt, ist es wichtig, an das Kulturgut Sprache zu erinnern.

In unseren Gottesdiensten spielt Sprache eine wichtige Rolle. Allerdings tut sie sich immer schwerer mit Eindrucksvollem, mit dem „Event“ zu konkurrieren. Auch die Konzentrationsfähigkeit nimmt immer mehr ab. Neulich war ich eingeladen zum „Tag des Buches“ in einer Klasse etwas vorzulesen. Ein Kind hat mitten hinein „langweilig“ gerufen. Damit hatte es vermutlich sehr recht. Aber das lag nicht (oder wenigstens nicht nur) an meinem Vortrag, sondern auch daran, dass es Kindern und Erwachsenen immer schwerer fällt, beim Wort zu bleiben.

Eine biblische Lesung hat inzwischen Jahrtausende auf dem Buckel. Auch früher war das nicht immer „leichte Kost“, aber heute hat sie es ungemein schwerer. Eine Predigt kann selbstverständlich nicht denselben Rang haben wie das Wort Gottes, obwohl sie von den Mitfeiernden oft stärker gewichtet wird. Das hat viele Gründe: sie ist die „persönlichere“ Ansprache, weil vom Interpreten formuliert und wiedergegeben. Sie ist im Idealfall näher am Lebensgefühl der Menschen heute, wenigstens versucht sie, Brücke zwischen dem Gotteswort oder einem Glaubenssatz und dem konkreten Leben zu sein. In anderen Kulturkreisen, anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften hat sie noch einen weitaus größeren Stellenwert als bei uns. Hier gilt der alte Spruch: fünf Minuten für den Herrgott, fünf Minuten für die Leut – die nächsten fünf Minuten sind schon für die Katz. Damit das nicht stimmt, braucht es zwei Schräubchen, an denen man drehen kann: eine bessere Predigt UND aufmerksame Zuhörer.

Selbstverständlich gibt es noch ein anderes Wort, einen anderen „Klang“ in unserem Gottesdienst und der soll uns abschließend noch beschäftigen, nämlich die Rolle der Musik in unserem Gottesdienst.

Schon früh spielte Musik im Leben der Menschheit eine bedeutende Rolle. Leider können wir das allermeiste nicht mehr rekonstruieren. Zwar haben wir sogar aus der Steinzeit Instrumente, etwa eine Flöte aus Knochen gefunden, aber was die Menschen genau darauf spielten, wissen wir nicht. Neben dem Anspruch, musikalische Traditionen ohne Veränderung seit Generationen fortzuführen, ist es vor allem die Erfindung der Notation, die Musik „festhält“. Auch Ungeübte können sich an ihr orientieren. Ich merke das immer ganz praktisch bei Liedern, bei denen wenigstens die erste Strophe unter Noten gelegt ist. Die singen sich immer leichter als die Folgestrophen, die nur im Text abgedruckt sind.

Schon immer waren wohl bestimmte Instrumente und Musiken der religiösen Praxis vorbehalten, aber ebenso haben sich geistliche und weltliche Musik stets befruchtet. Allein in der Römisch-Katholischen Kirche gab es mehrere Musikrevolutionen, bei denen die Traditionalisten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und vom „Untergang der Gottesdienstkultur“ gesprochen haben. So war für Jahrhunderte die Hochform bei uns der gregorianische Choral, während in der Ostkirche vermutlich schon mehrstimmig gesungen wurde. Als im Mittelalter mehrstimmige Lieder und feste Rhythmen in der Kirche aufkamen, war das „Tanzmusik“ und ganzganz böse. Als die Orgel in die Kirchen Einzug hielt, meinten die Menschen, jetzt ist es bald aus mit der Kirche: nur die Stimme allein war des Gotteslobes würdig! Noch größer war das Gezeter, als ganze Orchester daherkamen und Chöre und Solisten wie „Opern“ sangen und klangen. Auch das deutsche Kirchenlied erfuhr seine Entfaltung vor allem durch den Protestantismus und galt durchaus eine Zeit lang als Unterscheidungsmerkmal. Sie sehen also: der Aufruhr wegen E-Gitarre und Schlagzeug hat durchaus historische Vorbilder.

In der Liturgie – und wir beschränken uns auch hier auf die Feier der Messe – gibt es grundsätzlich zwei Sorten von gesungenen Texten, man bezeichnet sie in der Fachsprache als Ordinarium und als Proprium. Das möchte ich in der Folge noch näher erläutern.

Wenn man heute etwas als „ordinär“ bezeichnet, dann ist das wenig schmeichelhaft. Die Ursprungsbedeutung des Wortes ist freilich „gewöhnlich“ im Sinne von „nichts Besonderes“, das, was immer da ist. Das Ordinarium bezeichnet die Texte/Lieder, die in (fast) jeder Messe vorkommen: Kyrie, (Gloria und Credo), Sanctus und Agnus Dei. Sie merken: das sind immer noch die lateinischen (im Fall des Kyrie: griechischen) Bezeichnungen, obwohl wir natürlich meistens in Deutsch singen. Der Ursprung dieser Ordinariumsgesänge geht z.T. weit in unsere Kirchen- und Glaubensgeschichte zurück. Am ältesten ist wohl das Kyrie – Herr, erbarme dich. Es war schon Huldigungsruf an den römischen Kaiser und eignete sich mit seinem Wechselcharakter Vorsänger / Gemeinde sehr gut für einen auswendigen, Litanei-artigen Gesang.

Weitaus älter waren vor allem die biblischen Gesänge, allen voran die Psalmen und liedhaften Texte des Alten Testamentes. Sie spielten schon in der jüdischen Tempel- und Synagogen-Liturgie, bzw. bei Wallfahrt und religiösen Festen eine Rolle und wurde nahtlos ins Christentum übernommen. Ergänzt wurden sie wohl schon sehr früh von ausdrücklich christlichen Hymnen, von denen einige es auch ins Neue Testament geschafft haben (z.B. das Magnificat oder Eph 1,3-10). Schon bald aber wurde manches, was „begeistert“ gedichtet wurde, aber der Theologie nicht (mehr) standhielt auch wieder einkassiert. In der westlichen, eucharistischen Liturgie blieben neben den Ordinariumsgesängen eigentlich nur die sogenannten Sequenzen als freie Dichtung übrig (z.B. das Stabat Mater – Christ Mutter stand mit Schmerzen), die übrigen Gesänge bestanden aus Bibelversen. Anders beim Stundengebet: hier setzte eine reiche Hymnendichtung ein.

Kehren wir zum Ordinarium der Messe zurück, dann folgt als nächstes das „Heilig“. Dieser Lobpreis mitten im Eucharistischen Hochgebet ist rein biblisch. Der erste Teil zitiert den Propheten Jesaja, der zweite Teil die Psalmen. Das „Lamm Gottes“ etablierte sich im 6. Jahrhundert als Begleitgesang zur Brotbrechung. Ähnlich wie das Kyrie eignete es sich sehr gut als Wiederholungs- und Wechselgesang, eben so lange wie man brauchte, um das Brot der Eucharistie zu brechen. Erst nachdem diese Funktion nur noch symbolisch war, wurde es auf drei Rufe reduziert (zweimal „erbarme die unser“, dann „gib uns deinen Frieden“).

Eindeutig hymnisch ist das Gloria, daher stammt es eigentlich aus dem Stundengebet und wurde ebenfalls erst im 6. Jahrhundert Teil der stadtrömischen Liturgie. Diese prägte die römisch-katholische Feier insgesamt, so dass es bald überall an Sonn- und Feiertagen auf das Kyrie folgte. Ausgenommen sind der Advent und die Fastenzeit.

Der jüngste Sproß ist das Credo, das Glaubensbekenntnis. Es war eigentlich Teil der Taufliturgie. Erst rund um die erste Jahrtausendwende wanderte es in die Messliturgie der Sonntage und Hochfeste. Vermutlich sollte damit auch der „rechte“ Glaube in stete Erinnerung gebracht werden, stritt man sich doch mit dem Osten so sehr darum, dass es 1054 sogar zur Kirchenspaltung kam!

Gerade das Credo lässt sich vor diesem Hintergrund als „Dauereinrichtung“ heutzutage durchaus hinterfragen. Aber auch die anderen Ordinariumsgesänge können durchaus liturgiekritisch betrachtet werden:

Wird der Huldigungscharakter des Kyrie deutlich, wenn es in Übersetzung und als Bußakt gebraucht wird?

Ist das Gloria als Lobpreis Gottes textlich wirklich in Stein gemeißelt? Dann müssten aber auch die meisten Gloria-Lieder im Gotteslob angefragt werden.

Sollte man sich beim Heilig als fester Teil des Hochgebetes nicht noch besser an den Textlaut halten?

Wie sehr akzentuiert das „Lamm Gottes“ wirklich den Begleitcharakter zum Brotbrechen und nicht zum Friedengruß?

Ein Wort daher auch noch zu unserer spezifischen Kirchenliedtradition im Blick auf das Ordinarium, bevor wir die übrigen Messgesänge betrachten.

Die feststehenden Texte der Messliturgie waren Teil des priesterlichen Gebets. Der gregorianische Gesang einer Schola genauso wie mehrstimmige Messkompositionen ab der Renaissance bzw. dem Barock waren dem veränderten Musikgeschmack geschuldet. Gemein war ihnen: die Gemeinde war nur Zuschauer bzw. Zuhörer. Erst mit der Aufklärung begann eine Bewegung, die die Gemeinde zwar immer noch nicht zur Mit-Trägerin der Liturgie machte, ihre bewusstere Mitfeier aber fördern wollte. So entstanden ganze „Deutsche Messen“ wie die von Schubert oder Haydn, wie wir sie heute noch im Gotteslob haben. Auch einzelne Ordinariumsgesänge oder Messreihen entstanden. Ihr Anspruch war oftmals ein leicht singbares (Reim-)Schema, das den Textsinn erschließen sollte, aber nicht den Anspruch erhob, ihn gänzlich wiederzugeben. Heute, wo die Gemeinde auch und gerade durch ihren Gesang Mit-Trägerin der Liturgie geworden ist, bewegen wir uns da ein wenig in einer textlichen Grauzone. Am leichtesten hat es der Zelebrant, wenn er auf das Gotteslob zurückgreift, denn alle diese Lieder sind von den Bischöfen abgesegnet. Schwieriger sind nicht kirchlich approbierte Liedsammlungen und am meisten kommt man ins Schleudern bei Liedwünschen etwa für Hochzeit, Taufe oder Beerdigung...

Gerade hier wird einmal mehr deutlich: was wir erworben und gewonnen haben, nämlich eine singende Gemeinde als Trägerin der Liturgie wird heute eher als hinderlich empfunden. Man lässt singen, man hört lieber zu, was andere „schön“ (oder schöner) können. Aus ästhetischer Sicht mag das manchmal ein Gewinn sein – aus liturgischer Sicht ist es eine Verarmung.

Jetzt kommt Weihnachten – geben Sie ihrem Glauben und Ihrer Freude Ausdruck. Singen Sie mit!

Bei den Weihnachtslieder sind wir in der letzten Folge stehen geblieben. Sie führen uns zum zweiten großen Liedkanon der Messe nach dem „Ordniarium“, dem „Proprium“. Das sind alle Gesänge, die für die übrigen liturgischen Vollzüge gedacht sind und sich am jeweiligen Tag oder fest orientieren. Auch sie waren ursprünglich lateinisch und werden daher noch entsprechend bezeichnet: Introitus, (Graduale,), Halleluja, Offertorium, Communio. Eigentlich begleiten sie Handlungen, ja sogar Prozessionen: den Einzug, die Übertragung des Evangeliars, die Gabenbereitung und den Empfang der Kommunion. Daraus folgt auch ein wesentlicher Zug ihrer Gestalt: da sie eine Handlung begleiten, führen sie eigentlich kein „Eigenleben“, sondern sollen nicht wesentlich länger dauern als die betreffende Handlung selbst!

Wenn es für sie auch feststehende Texte gibt, vor allem im gregorianischen Choral, so eignen gerade sie sich, um durch Lieder der Gemeinde dem jeweiligen Festcharakter Ausdruck zu geben. An dieser Stelle singen wir Advents- und Weihnachtslieder. Wir drücken das Geheimnis der Umkehr und der Passion ebenso aus wie die Osterfreude. Wir rufen den Heiligen Geist an oder benennen das Geheimnis des jeweiligen Festtages im Laufe des Jahres. Wir tragen, Lob, Dank und Bitte vor den Herrn oder greifen einzelne Elemente der Lesungen auf. Gerade der Introitus hat aber noch Spuren hinterlassen, denn sein erstes Wort gab oft dem Sonntag oder der Feier den Namen: z.B. Rorate (Tauet), Laetare (Freuet) oder Requiem (Ruhe).

Zwei Sachen gehören noch hierher. Sie sehen, dass das Graduale eingeklammert ist. Dieser Gesang der gregorianischen Tradition wurde in der neuen Liturgie abgelöst vom Antwortpsalm, von dem an anderer Stelle schon die Rede war. nicht extra aufgeführt, weil nur noch fünfmal im Jahr vorgesehen, ist die Sequenz, einen längeren Hymnengesang vor dem Halleluja: an Ostern, Pfingsten, Fronleichnam, Mariä Schmerzen und Allerseelen.

Schließlich: Ein Gesang nach dem Segen ist eigentlich nicht Teil der Liturgie, vor allem kein Mariengruß. Der ist Im Gottesdienst der Kirche nämlich im Stundengebet daheim: in der Vesper oder der Komplet. Propriumsgesänge, vor allem der Introitus sollen den kirchenjahreszeitlichen Charakter hervorheben. Daher singe ich an Marienfeiertagen an dieser Stelle durchaus gern ein Marienlied und tue das auch nach dem Segen der Messe, allerdings nur in den beiden marianisch geprägten Monaten Mai und Oktober.

Die Liedordnung für unsere Gemeinde erarbeite ich selbst, vor allem, weil ich darauf achte, dass wir als mehrere Zelebranten immer zwischen den verschiedenen Seelsorgstellen wechseln. Nicht jeder Mitbruder traut sich und der Gemeinde ein neueres oder schwierigeres Lied zu. Aus praktischen Gründen kann ich das sehr gut verstehen – im Sinne einer liturgischen Vielfalt wäre freilich auch, dass man es immer wieder probiert. Auch ein Lied einmal nicht zu singen, sondern als Gebet zu sprechen, ist eine echte Alternative. Erstens kann man sich über dem Text auch einem Lied nähern, zweitens sind es oft wunderschöne Gebete.

Das Kirchenjahr ist nun vier Wochen alt, das Kalenderjahr hat begonnen. Ich denke, dass es mit dieser Folge „Unser Gottesdienst“ fürs erste gut ist und Sie ab dem nächsten mal wieder mit einem „Wort an Sie“ rechnen müssen.

Ich hoffe, dass es mir – auch wenn es vielleicht ab und zu verwirrend war – gelungen ist, deutlich zu machen, wie reich wir mit unserer Gottesdiensttradition gesegnet sind. Feiern wir, was wir sind: Gemeinde in Christus!